Bodo Ramelow hat auch der CDU ein Gesprächsangebot gemacht.

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Mike Mohring (Mitte) will dieses Angebot annehmen. Die Bundes-CDU ist davon nicht begeistert. Kramp-Karrenbauer (links), die Angela Merkel (rechts) als Kanzlerin ablösen möchte, verweist auf den Beschluss zur Unvereinbarkeit einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei.

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Berlin – Nach der Landtagswahl in Thüringen will die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow die Regierung mit SPD und Grünen fortsetzen, obwohl die Koalition ihre Mehrheit verloren hat. "Persönlich habe ich den Wunsch, dass wir mit diesen Partnern auch weiterregieren und weiter zusammenarbeiten", sagte Landesparteichefin Susanne Hennig-Wellsow am Montag in Berlin. "Ob das gelingt, das wird die Zeit zeigen. Aber wir wollen das." Die Linke werde mit allen demokratischen Parteien ausloten, welche Möglichkeiten sie habe. Anders als SPD und Grüne hatte die Linke am Sonntag zugelegt. Mit 31 Prozent wurde sie mit Abstand stärkste Fraktion vor AfD und CDU.

Ramelow ließ auch auf Nachfragen von Journalisten keine Präferenz erkennen, ob er etwa eine Koalition mit der CDU oder eine Minderheitsregierung bevorzugen würde. "Ich strebe eine zügige Wahl im thüringischen Landtag an", sagte Ramelow. Dafür bedürfe es keiner "Konstellation": "Wir bräuchten klare Mehrheitsentscheidungen, und das kann man vorher miteinander besprechen und abklären, ob das der Weg ist." Rot-Rot-Grün habe einen Arbeitsauftrag. Seine Kompetenzen seien nicht eingeschränkt. "Die Verfassung sagt, dass wir arbeiten müssen – und wir werden arbeiten", sagte Ramelow.

Der Ministerpräsident verwies damit auf die Landesverfassung, die für die Regierungsbildung keine Fristen setzt. Stattdessen regelt Artikel 75 der Verfassung, dass der Regierungschef und die Minister verpflichtet seien, "die Geschäfte bis zum Amtsantritt ihrer Nachfolger fortzuführen".

Bereits am Mittwoch will die Linke mit SPD und Grünen sprechen. Dabei werde es darum gehen, "wie wir möglicherweise zusammen arbeiten können", sagte Hennig-Wellsow.

SPD hält Minderheitsregierung für möglich

Die SPD sieht in einer Minderheitsregierung eine von mehreren Möglichkeiten. "In dem Moment, wo es eine Tolerierung gibt, die fest ist, ist so was auch eine der unterschiedlichen Varianten", sagte der thüringische SPD-Chef und Spitzenkandidat Wolfgang Tiefensee am Montag in Berlin. Es müsse stabile Regierungsverhältnisse geben.

Tiefensee formulierte für seine Partei den Anspruch, weiter an der Regierung beteiligt zu sein: Es tue dem Land gut, wenn die SPD weiter regiere. Bei der Landtagswahl am Sonntag hatte die bisherige Regierungskoalition aus Linken, SPD und Grünen ihre Mehrheit verloren. Die Linke unter Ministerpräsident Bodo Ramelow legte aber zu und wurde klar stärkste Fraktion.

FDP und CDU gegen Zusammenarbeit mit Ramelow

FDP und CDU haben sich gegen eine Zusammenarbeit mit Ramelow ausgesprochen. FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich schloss auch die Tolerierung einer Minderheitsregierung aus.

Exakt fünf Wähler in Thüringen haben die FDP vor einer neuen Wahlschlappe bewahrt. Die Liberalen kamen am Sonntag laut Landeswahlleiter auf insgesamt 55.422 Stimmen. Sie lagen damit genau fünf Stimmen über der Fünfprozenthürde – und dies bei 1.108.338 abgegebenen gültigen Stimmen.

Prozentual ausgedrückt liegt das FDP-Ergebnis bei 5,0005 Prozent, also fünf Zehntausendstel Prozent über der Sperrklausel. Für die Liberalen kam es also auf fast jede Stimme an. Dementsprechend war es für die FDP eine lange Zitterpartie, bis kurz vor Mitternacht alle Stimmen ausgezählt waren. Das Ergebnis kann sie dennoch als Erfolg verbuchen: Thüringen ist nun das einzige der neuen Bundesländer, in dem sie im Landtag sitzt.

Mohring kündigt Gespräch mit Ramelow an

Aus der CDU kamen widersprüchliche Töne. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak erteilte einer möglichen Zusammenarbeit eine Absage. "Wir haben das immer klar ausgeschlossen, mit den Linken zu koalieren", sagte Ziemak am Montag den Sendern RTL und n-tv. Es gehe hier um Glaubwürdigkeit, mahnte Ziemiak. Eine Koalition mit der Linken wäre "wirklich der Gipfel der Beliebigkeit".

Der CDU-Landesvorsitzende und Spitzenkandidat Mike Mohring hingegen hat angekündigt, ein Gespräch mit Ministerpräsident Ramelow führen zu wollen. Das CDU-Präsidium in Berlin habe ihm dafür das "volle Vertrauen" ausgesprochen, sagte Mohring am Montag in Berlin. Es gehe um "nicht mehr und nicht weniger", als für solche Gespräche bereitzustehen.

Mohring betonte, er werde mit Ramelow als Ministerpräsident sprechen, nicht aber mit der Linkspartei. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, die Partei nehme "zur Kenntnis", dass es einen Gesprächswunsch Ramelows gebe und dass Mohring das Gespräch führen wolle. Dies sei eine "parlamentarische Selbstverständlichkeit". Zugleich hätten das CDU-Präsidium und der Bundesvorstand per Beschluss noch einmal bestätigt, dass "die Beschlusslage des Bundesparteitags Bestand hat", die eine Zusammenarbeit der CDU mit der Linken oder der AfD ausschließt.

Dennoch kam die Ankündigung in der eigenen Partei nicht sonderlich gut an: "Ich erwarte, dass der künftige Kurs der CDU zunächst in Partei und Fraktion diskutiert wird und es keine Alleingänge gibt", sagte der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Mario Voigt den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Dienstagsausgaben). "Es gibt keine Koalitionen mit der Linkspartei oder der AfD", betonte Voigt. "Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Es darf keinen Wortbruch geben."

Ostdeutsche CDU-Politiker fordern Umdenken in Bundes-CDU

Neben Mohring hat auch der ostdeutsche Politiker Michael Kretschmer nach dem schlechten Abschneiden ihrer Partei in Thüringen Konsequenzen in der Bundes-CDU gefordert. Er habe die Sorge, "dass heute morgen hier alles weitergeht wie bisher", sagte Sachsens Ministerpräsident Kretschmer am Montagmorgen vor der CDU-Präsidiumssitzung in Berlin. "Nur wenn man die Sachen klar beim Namen benennt und bereit ist, auch Konsequenzen zu ziehen, kann es hier einen Aufwärtsschub geben." Welche dies sein sollten, sagte der CDU-Politiker nicht.

Auch der thüringische CDU-Chef Mohring, der am Sonntag mit 21,9 Prozent das schlechteste CDU-Ergebnis nach der Wende erzielt hat, sprach davon, dass "Berlin alles überlagert" habe. Dass die Linkspartei und die AfD mehr als 50 Prozent erzielt hatten, könne auch "in Berlin niemand abschütteln". Man müsse nach dem Wahlergebnis überlegen, welches Modell es für Thüringen geben könne, "ohne was auszuschließen".

Fraktionsvize Heym für Gespräche mit der AfD

Der CDU-Landtagsabgeordnete und Vizefraktionschef Michael Heym schloss indes auch eine Koalition mit der AfD nicht aus. "Man tut der Demokratie keinen Gefallen, wenn man ein Viertel der Wählerschaft verprellt", sagte Heym der Nachrichtenagentur dpa. "Rechnerisch reicht es für ein Bündnis aus AfD, CDU und FDP. Ich finde, das sollte man nicht von vornherein ausschließen." Zuvor hatte der MDR darüber berichtet.

Heym ist einer von drei Vizefraktionsvorsitzenden im Landtag. Am Sonntag hatte er sein Landtagsmandat im Wahlkreis Schmalkalden-Meiningen I gegen einen AfD-Bewerber knapp verteidigt.

Kramp-Karrenbauer fordert CDU-interne Kritiker heraus

Die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer betonte, zu möglichen Koalitionen mit AfD und Linkspartei habe die Beschlusslage der Bundespartei Bestand. Der CDU-Vorstand hatte den bestehenden Beschluss zur Unvereinbarkeit einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei zuvor erneuert.

Zugleich forderte sie ihre innerparteilichen Kritiker auf, aus der Deckung zu kommen. Sie wolle an ihrem Plan festhalten, die Frage der Kanzlerkandidatur erst auf dem Parteitag Ende 2020 zu klären, sagte die CDU-Chefin am Montag in Berlin.

"Wer auch immer meint, die Frage müsse jetzt in diesem Herbst geklärt werden, hat auf diesem Bundesparteitag die Gelegenheit", sagte sie mit Blick auf den Parteitag Ende November 2019 in Leipzig. In der Vorstandssitzung am Montag nach der Thüringen-Wahl habe der Chef der Jungen Union, Tilmann Kuban, "die Führungsfrage gestellt", sagte Kramp-Karrenbauer. Sie selbst habe darauf hingewiesen, dass bei der Union in der Vergangenheit Parteivorsitz und Kanzlerschaft in einer Hand gelegen hätten. Sie halte an ihrem Plan zur Bestimmung des Kandidaten oder der Kandidatin fest. Wer daran etwas ändern wolle, solle auf dem Bundesparteitag dafür werben.

Kramp-Karrenbauer verwies auf die "Unruhe, die wir im Moment in der Partei haben". Diese Situation erfordere "ein Höchstmaß an Verantwortung". Sie fügte hinzu: "Dieser Verantwortung stelle ich mich. Jeder andere, der in einem Führungsgremium der CDU ist, hat seine eigene Verantwortung und muss sich entscheiden, ob er dieser Verantwortung gerecht wird." (Reuters, 28.10.2019)