Der Krebsnebel im Sternbild Stier ist der Überrest einer 1054 beobachteten Supernova.

Foto: NASA/ESA/J. Hester/A. Loll/Arizona State University

Abbildung des Krebsnebels in Röntgenstrahlung (Bildmitte, gelb-orange. Die blauen Punkte entsprechen den rekonstruierten Richtungen von Gammastrahlungsereignissen. Der weiße Kreis zeigt die von den Forschern ermittelte Ausdehnung im Gammalicht.

Illustration: Universität Innsbruck

Innsbruck – Der Krebsnebel im Sternbild Stier ist das Überbleibsel einer Supernova im Jahr 1054 in rund 6.500 Lichtjahren Entfernung. Obwohl der Nebel zu den am besten untersuchten Himmelsobjekten zählt, ist es Forschern erst jetzt gelungen, die Ausdehnung des Nebels in hochenergetischer Gammastrahlung zu bestimmen.

Für ihre Studie nutzten das Team, an dem die Forschungsgruppe von Olaf Reimer von der Universität Innsbruck maßgeblich beteiligt war, das weltgrößte Gammastrahlen-Teleskop High Energy Stereoscopic System in Namibia. Das Akronym H.E.S.S. ist eine Hommage an den österreichischen Physiker Victor Franz Hess (1883-1964), der 1912 die Kosmische Strahlung entdeckte und 1936 dafür den Nobelpreis erhielt.

Messung auf Umwegen

Das Problem bei der Messung von Gammastrahlung ist, dass sie sich nicht direkt messen lässt. Vielmehr beobachten die Teleskope von H.E.S.S. das sogenannte Cherenkov-Licht. Diese schwachen, bläulichen und extrem kurzen Lichtblitze entstehen, wenn die Gammastrahlen in der Erdatmosphäre auf Luftmoleküle stoßen und dabei unzählige weitere Teilchen erzeugen. Dieser Teilchenschauer verursacht dann die Leuchteffekte. Die große Herausforderung besteht darin, aus dieser indirekten Information mit geringer räumlicher Auflösung verlässlich auf die eigentlichen Verhältnisse an der Quelle zu schließen.

Moderne Simulationstechniken, die unter anderem von Markus Holler und Kollegen von der Uni Innsbruck sowie von Forschern aus Paris entwickelt wurden, lassen das aber mittlerweile recht detailliert zu. "Unsere Beobachtung könnte man als zusätzliches Puzzleteil ansehen. Dieser Teil verändert aber unser Verständnis des Krebsnebels nicht fundamental", sagte Holler.

Theorie bestätigt

Im Zentrum des Krebsnebels befinden sich die Reste eines einst massereichen Sterns, ein rotierender Neutronenstern, der mehr oder weniger rasch pulsierende, hoch- und niedrigenergetische Strahlung aussendet und deshalb "Pulsar" genannt wird. Der Prozess, der die Gammastrahlung entstehen lässt, ist ein anderer als bei Strahlungsanteilen in anderen Frequenzbereichen. "Das heißt, wir sehen zwar das gleiche Objekt", so Holler, aber das sich ergebende Bild zeige dieses immer in einem anderen Energiebereich und sei Ausdruck eines anderen Prozesses, der sich dort abspielt. Da die Teilchen tendenziell Energie verlieren, je weiter sie sich von dem Neutronenstern entfernen, erscheint der gesamte Nebel im höherenergetischen Strahlungsbereich kleiner.

Für das aus insgesamt rund 240 Wissenschaftern bestehende H.E.S.S.-Konsortium sind die nun vorgestellten Daten ein schönes Beispiel für die Ergänzung von Theorie und Experiment. Die jetzt gemessene Ausdehnung des Nebels auf Basis der Gammastrahlung entspricht nämlich erstaunlich gut dem, was laut der Theorie zu erwarten war. Sie liegt zwischen jener im Röntgen- und im Ultraviolett-Bereich, wo der Krebsnebel kleiner bzw. größer erscheint. "Das ist ein neuer Schritt in der Genauigkeit der Beobachtungen", sagte Holler. (red, APA, 31.10.2019)