Weiße Haut, keine Schatten und pudrige Farben kennzeichnen die traditionellen Ukiyoe. Etwa Utagawa Kuniyoshis "Modischer Geschmack der heutigen Zeit" (1830–1840).

Foto: MAK/Georg Mayer

Der in Melbourne ansässige Grafikdesigner Andrew Archer interpretiert Ukiyoe neu. Er erstellt digitale Bilder heutiger Unterhaltungskultur in bunten Farben mit japanischen Versatzstücken.

Foto: Andrew Archer, Melbourne

Hokusais berühmte "Große Welle vor Kanagawa" schließt Andrew Archer hier kurzerhand mit seinem Faible für Basketball zusammen.

Foto: Andrew Archer, Melbourne

Die Bilderwelt japanischer Farbholzschnitte ist eine fremde. Die Geschichten, die sie erzählen, kennen wir alle nicht. Wer von uns weiß schon etwas vom Seemann Kuwanaya Tokuzo, der gegen das Verbot verstoßend am Neujahrstag aufs Meer fuhr, dort dem Seemonster Obozu begegnete und nie mehr gesehen ward. Oder wer hat von Frau Oiwa gehört, deren Mann sie mit der Nachbarstochter betrog und die – auf Rache aus – als Geist umgeht.

Im Keller des Wiener Mak kann man ab sofort diese Geschichten entdecken. Ganz einfach ist das zwar nicht, weil man sich wegen der mäßig gelungenen Beleuchtung dabei oft selbst im Weg steht. Die Blätter der Schau Kuniyoshi+ zu betrachten, gleicht einem Lavieren des Blicks vorbei am eigenen Schatten. Ziemlich mühsam.

Aber dafür können Kuniyoshi und seine Kollegen nichts. Der Holzschneider ist einer der berühmtesten und experimentierfreudigsten Meister des Ukiyoe, rund 10.000 Entwürfe hat er geschaffen und ein Gutteil der in der Schau zu sehenden 130 Blätter stammt von seiner Hand. Etwa das vom Seemann Kuwanaya Tokuzo: Sein Boot schaukelt dramatisch auf den blauen Wellen, während dahinter ein dunkles Wesen aus dem Wasser auftaucht – das erinnert an heutige Comics. Einst waren die Blätter genauso populär.

Populärkultur mit Kurtisanen

Im späten 17. Jahrhundert entwickelten sie sich als Teil der Unterhaltungsindustrie. Ihre Motive stammen aus dem Alltagsleben, aus Märchen und dem Amüsement. Im Mak sieht man viele Schauspieler beim Schminken, Jahrmarktszenen oder Kurtisanen. In die 1830ern sprengten Bilderserien alle Dimensionen und brachten Verleger wie Künstler an den Rand ihrer Kapazitäten. So kam es zu Kooperationen. Der Dämpfer folgte 1841, als infolge einer Wirtschaftskrise strenge Regeln für die Bildkünstler in Kraft traten: Farben und Blattzahl wurden limitiert, allzu hedonistische Motive verboten.

Die Schau erklärt Motive sowie Entstehungsumstände der Ukiyoe. Es ist eine zuckerlfarbene Welt. Eine Station demonstriert Impulse durch die Zentralperspektive (ab 1740), Schattierungen und synthetische Farben (um 1800) aus Europa, umgekehrt faszinierte die Ästhetik von Flächigkeit und Reduktion: Zugleich mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den Ländern vor 150 Jahren begannen österreichische Gesandte in Japan, Drucke zu sammeln. Die Schau speist sich aus diesem Mak-Bestand von 4300 Blättern.

Zuletzt sind einige dazugekommen. Grafiker Andrew Archer braucht kein Messer, sondern erstellt Bilder von Basketballern und Musikstars am Computer. Wirkt trashig, ist aber Popkultur im Geist der Tradition. (Michael Wurmitzer, 28.10.2019)