An Sex ist nicht zu denken, auch wenn die Katzen gerade topfit sind.

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Mein Nachbar hat sich in einen AHS-Lehrer verliebt. Der Neue unterrichtet Turnen und Biologie, trägt die richtigen Sneakers und ein freches Oberlippenbärtchen im Stil von Clarke Gable dazu.

Leider ist er auch zweifacher Katzenbesitzer, und hier beginnt das Problem: Um das Nervenkostüm der Tiere steht es nicht zum Besten – vielleicht auch um das des Lehrers, man weiß nicht genau, wo alles begann.

Putzlappen und Einläufe

Einer der beiden Stubentiger, es handelt sich um ägyptische Tempelkatzen, leidet unter chronischer Verstopfung. Zum Ausgleich verziert sein Kollege die Wohnung mit kleinen Häufchen.

Abends, wenn mein Nachbar mit seiner neuen Flamme nach Hause kommt, müssen kleine Einläufe gemacht und der große Putzlappen hervorgeholt werden. Wenn endlich alles erledigt ist, fällt der Lehrer erschöpft ins Bett.

Phasenweise sind die Tiere auch topfit. An Sex ist dann trotzdem nicht zu denken. Den schönen Lehrer nimmt das Unbehagen seiner Haustiere nämlich schon im Vorfeld mit. Mit Sorgenfalten auf der Stirn sitzt er auf seinem Sofa. Studiert, den Laptop auf den Knien, im Internet diverse Katzenleiden.

Bienen in Not

Man könnte bei der jungen Liebe meines Nachbarn von einem problematischen Einzelfall sprechen. Aber so ist es nicht: Auch einer meiner ältesten Freunde hat sich im Sommer in eine Liaison mit aufziehender Schlechtwetterlage gestürzt.

Was als erotischer Tornado am Wolfgangsee begann, entwickelte sich, zurück in der Stadt, schnell zum Katastrophengebiet: Klimawandel, Bienensterben, Finanzkollaps – all das scheint seine Angebetete so mitzunehmen, dass sie ihm mehrmals täglich meterlange Hiobsbotschaften auf Whatsapp schickt.

Manchmal fängt sie beim Orgasmus out of the blue zu weinen an – unklar bleibt, ob für diese Gefühlsausbrüche die Weltlage oder ihr neuester Blaseninfekt verantwortlich ist.

Selfies mit Schnupfennase

Man kennt das von anderen, mitunter auch von sich selbst: Sobald sich die Dinge von einem lockeren Verhältnis zu etwas Innigerem entwickeln, scheint eine Negativspirale in Gang zu kommen, die kaum mehr zu stoppen ist. Eben noch präsentierte man sich strahlend, mutig und zu allem Schabernack bereit – plötzlich rattert der Karren nur mehr durch die Sümpfe des Unglücks.

"Was ist hier bloß so schiefgelaufen?", denkt man, während einem der andere ununterbrochen Selfies mit Schnupfennase, Hautausschlag oder Wasserrohrbruch im Hintergrund schickt.

Adieu, inneres Kind

"Muss sich die Liebe nach dem ersten Akt immer so belastend zuspitzen?", haucht mein Nachbar ratlos, wenn er sich an meinem Küchentisch erholt. Mein Rat an ihn und andere Co-Pechvögel: Augen auf bei der Partnerwahl.

Schneller als man denkt, wird man zum hauptberuflichen Kümmerer, zuständig für alle Schieflagen und Anfälle seines Gegenübers. Psychologen kennen dieses Phänomen: Es ist das innere Kind, das in solchen Fällen das Ruder übernimmt.

Wie entkommt man dem Dilemma? Manchmal nur mit brutaler Selbstliebe. "Ich verlange von einer Stadt, in der ich leben soll, Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung und Warmwasserleitung. Gemütlich bin ich selbst", notierte Karl Kraus.

Auf moderne Zwischenmenschlichkeiten umgemünzt könnte das heißen: "Ich erwarte angeregte Gespräche, Sex und Wochenendausflüge. Kompliziert bin ich selber." (Ela Angerer, RONDO, 31.10.2019)