Die Häftlinge wurden aus ganz Europa nach Ebensee gebracht – und mussten in den Stollen mit bloßen Händen arbeiten.
Foto: Putz

Man merkt dem kleinen Ortsteil heute noch an, dass hier einst Reich und vielleicht auch Schön die Sommerfrische genossen. Gut einen Kilometer vom Ebenseer Ortskern entfernt, am Südufer des Traunsees, prägen prachtvolle Villen das Landschaftsbild. Rindbach war an der Wende zum 20. Jahrhundert das Zentrum der Sommerfrische in Ebensee. Ein beliebtes Refugium bekannter Künstler und finanzkräftiger Bankiers.

Den Umbruch und damit das radikale Ende der Sommerfrische bringt das Jahr 1938. Etliche Villen am See werden von den Nationalsozialisten enteignet. Insbesondere der Ortsteil Rindbach wird, durch seine Nähe zum ab November 1943 errichteten Konzentrationslager Ebensee, ein begehrter Wohnort von NS-Bonzen.

Besitzerwechsel

Am Ende der Strandbadstraße führt ein schmaler Wiesenweg wenige Meter hin zum sogenannten Kögerl. Ein kleiner Felskogel in Ufernähe, der Licht und Schatten des Traunsee-Ortes widerspiegelt. Auf dem Felsen steht die altehrwürdige "Villa Kögerl", im Felsen befindet sich ein rund 382 Meter langes Stollensystem. In den Kriegsjahren 1944/45 von Insassen des KZ Ebensee in den Berg gesprengt und als Pumpenstollen zur Wasserversorgung der KZ-Stollenanlage A vorgesehen. Ursprünglich sollte dort eine unterirdische Raketenfabrik entstehen, letztlich hatte aber der Bau einer bombensicheren Destillationsanlage zur Erzeugung von kriegsnotwendigem Benzin und Diesel Vorrang. Insgesamt kamen zwischen 1943 und 1945 8500 Menschen im KZ Ebensee ums Leben.

Rund um diesen Pumpenstollen ist jetzt in Ebensee eine heikle Diskussion entbrannt. Die Anlage wechselte im heurigen Frühjahr den Besitzer. Der ortsansässige Unternehmer Anton Putz erwarb den Berg – und plant, einen Klimastollen für Patienten mit Atemwegserkrankungen einzurichten. Was aber den Rindbachern sauer aufstößt. Einerseits befürchtet man ein deutliches höheres Verkehrsaufkommen, andererseits erachtet man den Wandel vom NS-Stollen zum Klimastollen als unangebracht und pietätlos.

Hakenkreuz im Stein

Gerald Steinkogler klettert über die Reste einer kleinen Steinmauer. Dort, wo einst ein Wasserschacht aus dem Stollen führte, steht heute ein kleines Marterl. An der moosigen Felswand sind zahlreiche Einkerbungen erkennbar. "Da ist ein Hakenkreuz eingeritzt. Vieles ist nicht mehr zu erkennen, aber vielleicht haben sich auch Zwangsarbeiter hier verewigt." Steinkogler ist unmittelbarer Anrainer – und höchst aktives Mitglied der "Bürgerinitiative gegen den Heilstollen".

"Furchtbar" sei das Ganze hier. "Wer will sich zur Erholung in einen ehemaligen Nazi-Stollen legen? Die Bilder im Kopf müssen doch grauenhaft sein, wenn ich da drinnen die Augen schließe", zeigt Steinkogler Unverständnis. Vor allem vermisst der Rindbacher die historische Aufarbeitung: "Es wurden bereits umfangreiche Baggerarbeiten durchgeführt. Doch die historische Begleitung dieser Tätigkeiten fehlt völlig." Offensichtlich werde "jegliche Berührung mit den nationalsozialistischen Ursprüngen und wohl auch die Auseinandersetzung mit den dort erlittenen menschlichen Tragödien nicht nur vermieden und abgelehnt, sondern völlig ignoriert".

Gerüchte um Nazi-Schatz

Und es gebe auch Zweifel, ob es denn überhaupt um einen Heilstollen gehe. Steinkogler: "Die Gerüchte halten sich hartnäckig, dass da drinnen ein Metallcontainer von den Nazis versenkt wurde. Und der Herr Putz hat das Geld und kennt erfahrene Schatzsucher."

Anton Putz hat mittlerweile in seinem Geländewagen Platz genommen. Gespräche über "seine Vision" führt der pensionierte Unternehmer gern vor Ort. Wieder geht es die Strandbadstraße entlang, diesmal führt der Weg aber nicht über die Wiese, sondern direkt über den privaten Grund des Unternehmers. Putz öffnet das Schloss am Tor zum Stolleneingang. Mit dem Erstrahlen der Scheinwerfer offenbart sich ein beachtliches, weitverzweigtes Stollensystem. "Ich habe zufällig vor gut einem Jahr die Heilstollen in Oberzeiring besucht und war begeistert. Da habe ich gewusst, dass ich so etwas in Ebensee auch machen möchte." Die Bedingungen seien hier ideal: "Acht Grad und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit." Und die historische Belastung? "Bitte nicht die Nazi-Keule. Ich habe vor dem Kauf Kontakt mit dem Zeitgeschichte-Museum Ebensee gehabt. Und der Doktor Quatember hat gesagt, dass er grundsätzlich keine Bedenken hat, solange die Geschichte des Stollens entsprechend ausgeschildert wird." Und der Schatz? "Das ist überhaupt das Lächerlichste, was ich je gehört hab."

"Positive Nachnutzung"

Wolfgang Quatember hat seit 1988 das Museum und die KZ-Gedenkstätte Ebensee aufgebaut. "Das Stollensystem in Rindbach stellt neben den Stollenanlagen A und B in Ebensee eines der letzten historischen Zeugnisse der Häftlingszwangsarbeit in Österreich dar" und besitze als Baudenkmal durchaus Relevanz, sagt Quatember. Er fühlt sich instrumentalisiert: "Ich will mich nicht vor den Karren spannen lassen, weder von Putz noch von der Bürgerinitiative." Er wolle sich einer "vernünftigen Nutzung" nicht verschließen: "Zu sagen, da darf überhaupt nichts passieren, wäre zu billig." Aber: "Eine Nutzung zu Erinnerungs- und Gedenkzwecken wäre mir bedeutend lieber als eine, die nur dem Tourismus und der Profitmaximierung dient." Voraussetzung für jegliche Nutzung sei eine Einbindung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen (zu der die Gedenkstätte Ebensee gehört), des Denkmalamtes und von Überlebendenverbänden.

Unterstützung bekommt Anton Putz aus dem Ebenseer Rathaus. Bürgermeister Markus Siller hat mit einer "positiven Nachnutzung" kein Problem. Die Bürgerinitiative würde nur "die Nazi-Keule vorschieben". Siller: "Bei einer Gedenkveranstaltung hab ich noch keinen von denen gesehen. Die wollen doch eigentlich nur ihre heilige Ruhe in Rindbach haben." Natürlich sei eine wissenschaftliche Begleitung bei so einem Projekt wichtig. "Aber kein KZ-Häftling wird wieder lebendig, wenn wir den Stollen nicht nutzen." Dann dürfe man in Ebensee nicht einmal das Trinkwasser nutzen: "Denn die Brunnen wurden von KZ-Häftlingen errichtet."

Denkmalamt plant Gutachten

Die Frage, wie mit derartigen Relikten aus der NS-Zeit umgegangen werden soll, ist "kompliziert", merkt der Historiker Bertrand Perz an. Auch wenn viele Anlagen, die von Zwangsarbeitern errichtet wurden, nach Kriegsende nahtlos weitergenutzt wurden und zum Teil auch heute noch von Unternehmen genutzt werden, müsse man sich fragen, ob ein Stollen zur Heilung von Krankheiten mit der Geschichte dieses "Unortes" vereinbar sei. "Das ist ein großer Kontrast." Es bedürfe bei einem derartig geschichtsträchtigen Objekt eines Aushandlungsprozesses – auch wenn es sich in Privatbesitz befinde.

Der Streit um den Stollen in Rindbach ist bereits zum Bundesdenkmalamt vorgedrungen. Man wolle das gesamte Areal erforschen, um dann zu entscheiden, welche Teile schützenswert sind, heißt es auf Anfrage. Derzeit stehen nur die in öffentlichem Eigentum befindlichen Stollen und die Überreste des ehemaligen Konzentrationslagers unter Denkmalschutz. 2020/21 soll ein Gutachten über die Gesamtanlage erfolgen. In den letzten Jahren haben sich die Denkmalschützer verstärkt den Arealen von ehemaligen Konzentrationslagern gewidmet und etwa Überreste des KZ Gusen und des Nebenlagers Redl-Zipf unter Schutz gestellt. Das Denkmalamt habe aber auch bei geschützten Objekten keine Mitsprache bei der Art der Nutzung, sofern die schützenswerte Substanz dadurch nicht beeinträchtigt wird, betont man.

Es bedürfe besserer gesetzlicher Regulierungen, wie mit Bauwerken aus der NS-Zeit umzugehen ist, fordert Wolfgang Quatember: "Bisher hat sich niemand für den Stollen interessiert. Und jetzt steht man da, und weiß nicht, wie man damit umgehen soll." (Karin Krichmayr, Markus Rohrhofer, 29.10.2019)