Manchmal drängt sich eine Emotion in die sonst eher nüchterne Materie demokratischer Abläufe. Etwa dann, wenn die Republik erst beim dritten Anlauf die ordnungsgemäße Abwicklung einer Präsidentschaftswahl zusammenbekommt. Auch dann, wenn wieder einmal gewarnt wird, dass vor einer Wahl nicht genug Beisitzer gefunden werden könnten. Oder dann, wenn eine Präsidentin des Nationalrats eine Abstimmung falsch protokolliert – und ein Antrag dem Gesetz nach abgewiesen wird, obwohl die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten dafürgestimmt hat. All das löst bei vielen einen emotionalen Effekt aus: Es überfällt sie ein Gefühl der Peinlichkeit.

Es ist peinlich, weil es ja wohl das Mindeste ist, dass die Prozesse in einer Demokratie funktionieren. Und da geht es nicht um komplizierte Wahlrechtsarithmetik oder rechtsphilosophische Überlegungen, sondern um Banalitäten: Funktioniert der Klebstoff auf Kuverts? Werden die Stimmen von Abgeordneten richtig gezählt? Befinden sich Menschen vor Ort, die einen korrekten Wahlablauf garantieren können?

Die Renovierungsarbeiten am Parlamentsgebäude sollen 2021 beendet sein.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Die Lösungen für viele dieser Probleme liegen auf der Hand. Für Wahlbeisitzer etwa gibt es keine einheitliche Entschädigung für die Zeit, die sie der Demokratie widmen. Ein Paar Würstel und ein Stück Kuchen reichen nicht: Der Dienst am Wahlsonntag muss uns etwas wert sein – da geht es auch um Anerkennung für die Beisitzer. Etwas mehr davon, und es finden sich auch wieder mehr Menschen, die den Sonntag im Wahllokal verbringen wollen.

Faktor Geld

Gleichzeitig muss vielen Amtsträgern offenbar die Ernsthaftigkeit eines Wahlvorgangs in Erinnerung gerufen werden: Protokolle falsch ausfüllen, um Zeit beim Zählen der Briefwahlstimmen zu sparen – das geht einfach nicht. So ein Pfusch landet zu Recht vor Gericht, wie das infolge der Präsidentschaftswahl 2016 dutzendfach passiert ist.

Während man für solche Schlampereien im Gemeindeamt mit viel gutem Willen noch so etwas wie Verständnis aufbringen kann, sind Pannen bei einer Abstimmung im Hohen Haus allein aufgrund ihrer Symbolwirkung ein Desaster. Es ist ein schwacher Trost, dass im renovierten Sitzungssaal, in den das Parlament 2021 übersiedeln soll, eine elektronische Abstimmungsanlage solche Fehler künftig verhindert. Diese Lösung wäre schon seit Jahren möglich, man hätte sie nur rechtzeitig angehen müssen.

Da wie dort, von der elektronischen Abstimmung bis zu Beisitzerproblemen, laufen die Erklärungen auf den Faktor Geld hinaus. Dass die Politik sich scheut, für demokratische Einrichtungen Geld auszugeben, zeigte sich ja schon bei der jahrelangen Verschleppung der Parlamentssanierung. Doch es zahlt sich aus, hier unpopuläre Investitionen zu tätigen. Gerade gewählte Politiker sollten dafür einstehen. Denn sie sind Repräsentanten aller, die sie gewählt haben – aber auch Vertreter des demokratischen Systems, das dies ermöglicht.(Sebastian Fellner, 28.10.2019)