Ein Sujet der ÖBB-Kampagne "Pass auf dich auf" – Kritik daran kommt von Behindertenverbänden.

Foto: öbb

Wien – Behindertenanwalt Hansjörg Hofer und Initiativen, die sich für die Rechte von Behinderten einsetzen, kritisieren die seit Anfang Oktober laufende ÖBB-Sicherheitskampagne "Pass auf dich auf". Die Kampagne zeigt Menschen mit Behinderung als abschreckendes Beispiel, um Jugendliche vor Gefahren auf Bahnhöfen zu warnen. Das werde von vielen Menschen mit Behinderung als problematisch empfunden, sagt Behindertenanwalt Hofer.

Die ÖBB betonte in einer Stellungnahme, dass es ihr bei der Kampagne darum ging, mit den Fotos bei Jugendlichen "etwas 'auszulösen' und sie wachzurütteln', Bahnanlagen sind kein Spielplatz. Zentraler Inhalt sei, auf die schwerwiegenden Folgen hinzuweisen, die ein Moment der Unachtsamkeit auf Bahnanlagen haben kann. Künftige Unfälle sollen durch Bewusstseinsbildung reduziert werden.

"Abwertend"

Auch wenn es sich bei der Warnung vor und der Vermeidung von riskantem Verhalten auf Bahnhöfen dem Grunde nach um ein wichtiges Anliegen handelt, so ist die "abwertende Art der Darstellung von Menschen mit Behinderungen, die durch die aktuelle Kampagne vermittelt wird, aufs Schärfste zurückzuweisen", so Hofer. "Diese Darstellung von Menschen mit Behinderungen durch die ÖBB ist verstörend. Im Sinne der Inklusion sollte dringend davon Abstand genommen werden, Behinderungen in einem derart negativen Kontext darzustellen. Gerade die ÖBB als staatliches Unternehmen sollte sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und diese verantwortungsvoll erfüllen", forderte der Behindertenanwalt.

Für die Fotos wurden wie berichtet jugendliche Models ohne Behinderung fotografiert, bei den Kampagnensujets handelt es sich um Montagen. Zu sehen ist etwa eine junge Frau mit Beinprothese, eine mit schweren Verbrennungen oder ein junger Mann, der im Rollstuhl sitzt. "Wir haben sehr bewusst darauf geachtet, die 'verletzten' Jugendlichen als stark und selbstbewusst darzustellen", betonte die Bahn.

Hofer forderte die sofortige Einstellung der Kampagne. Diese läuft ohnedies Ende des Monats aus, betonte die ÖBB. Nächste Woche findet dann ein Gesprächstermin mit dem österreichischen Behindertenrat statt, in dem der Kampagnenansatz gemeinsam kritisch hinterfragt wird, hieß es am Montag seitens der ÖBB.

Instrumentalisierung

Kritik an der Kampagne kommt auch vom Monitoringausschuss, dieser Ausschuss überwacht und überprüft die Einhaltung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen in Österreich. "Die neue Kampagne schlägt in eine ganz falsche Kerbe und beteiligt sich an der stereotypen Kontextualisierung von Behinderungen", sagt Vorsitzende Christine Steger, "die ÖBB wollen Emotionen wie Schock und Mitleid bei den BetrachterInnen der Werbeplakate hervorrufen. Dafür werden vermeintlich Menschen mit Behinderungen instrumentalisiert."

"Wir erwarten von der ÖBB, dass sie diese diskriminierende Kampagne umgehend stoppt", sagt Martin Ladstätter, Obmann des Behindertenberatungszentrums Bizeps. "2019 noch mit behinderten Menschen schocken zu wollen ist keine sinnvolle Maßnahme der Inklusion, wie sie die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorgibt."

Eine sofortige Einstellung fordert auch die Initiative Selbstbestimmt Leben Österreich – SLIÖ. "Das Bemühen der ÖBB, gegen Unfälle und unnötigen Leichtsinn anzukämpfen, ist prinzipiell anzuerkennen. So soll die Zielgruppe der Kampagne, vermutlich Jugendliche, geschult werden. Bewusstseinsbildung ja, aber nicht mit dieser verkehrten Art, sich längst überholter Vorurteile zu bedienen", sagt Vorsitzende Bernadette Feuerstein. "So werden weder konkrete Sicherheitsvorkehrungen getroffen, noch gezeigt, wie mit Unfällen umgegangen und gelebt werden kann. Dabei widerspricht sich die ÖBB hier faktisch selbst; bei veralteten Bahnstationen ist viel zu häufig als einziger stufenloser Weg das 'Queren der Gleise' vorgesehen." (red, APA, 29.10.2019)