Aktuell hagelt es Beschwerden gegen die laufende Sicherheitskampagne der ÖBB. Kritische Stellungnahmen dazu gibt es unter anderem vom Bundesbehindertenanwalt, dem österreichischen Behindertenrat oder dem Nachrichtendienst "bizeps". Und auch Medien, wie der ORF, die Presse und DER STANDARD griffen das Thema auf.

Für den Verein "Selbstbestimmtes Leben Österreich" (SLIÖ) habe ich eine Beschwerde beim österreichischen Werberat eingebracht:

Sehr geehrte Damen und Herren vom Werberat!

"Selbstbestimmt Leben Österreich" beschwert sich über die an Bahnhöfen und über Medien verbreiteten Plakate der ÖBB im Rahme ihrer Kampagne "Pass auf dich auf".

Die ÖBB-Kampagne über die Gefahren an Bahnanlagen verwendet aktuell Menschen mit Behinderungen auf Plakaten zur Abschreckung. Bilder von Menschen mit Behinderungen werden mit Texten wie "Abkürzungen über Bahngeleise sind lebensgefährlich" verbunden. Es wird eine bildliche Verbindung von Menschen mit Behinderungen mit der Zuschreibung von verantwortungslosem, selbst- und fremdschädigendem Verhalten hergestellt, das in Verletzung und Behinderung münden kann. Es wird ein klassisches Vorurteil bedient, dass behinderte Menschen selbst schuld sind an ihrer Behinderung, und schuld daran, dass Kosten für das Gesundheits- und Rehabilitationswesen und das Sozialsystem entstehen.

Die abschreckende Wirkung, dass Menschen mit Behinderungen als Opfer von eigenem Fehlverhalten vorgeführt werden, ist grundsätzlich zu bezweifeln. Wir vom verein SLIÖ gehen davon aus, dass die Plakat-Kampagne weder Jugendliche – die die Zielgruppe der Plakat-Kampagne sein sollen – vor gefährlichem Handeln abhält, noch die Sicherheit erhöht. Die größere Wirkung ist in der Erhöhung von problematischen Zuschreibungen gegenüber Menschen mit Behinderungen zu sehen.

Foto: ÖBB
Zwei Sujets aus der aktuellen ÖBB-Sicherheitskampagne.
Foto: ÖBB

Wir möchten noch anmerken, dass wir in der Plakat-Kampagne nicht nur eine reine Aufklärungskampagne sehen. Die Kampagne ist auch ÖBB-Werbung. Die Botschaft ist ja auch, dass die ÖBB hohe Verantwortung zeigt. Die Plakate werden an Bahnhöfen und zum Beispiel auf orf.at wie Werbung verbreitet. Zielgruppe sind nicht nur Jugendliche, deren Verhalten über abschreckende Bilder beeinflusst werden sollen. Es werden alle Menschen angesprochen. Es wird ein typisches Vorurteil von Erwachsenen gegenüber Jugendlichen und Jugendkulturen bestärkt, das davon ausgeht, dass Jugendliche verantwortungslos sind und dazu neigen, Regeln zu brechen. Wie Jugendliche in unter Umständen schwierigen psychischen Situationen oder sozialen Lagen auf derartige plakatierte Zuschreibungen reagieren, ist die Frage.

Das Bemühen der ÖBB, gegen Unfälle und Leichtsinn anzukämpfen, erkennen wir vollständig an. Es ist aber in dieser Plakat-Kampagne falsch umgesetzt, verstärkt Vorurteile und diskriminiert Menschen mit Behinderungen.

SLIÖ fordert die laufende Plakat-Kampagne sofort einzustellen und durch andere Informations- und Werbestrategien zu ersetzen. SLIÖ bittet den Werberat, zu der beschriebenen Plakat-Kampagne der ÖBB öffentlich Stellung zu nehmen.

Mit freundlichen Grüßen (für SLIÖ)

Volker Schönwiese

(Volker Schönwiese, 1.11.2019)

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