Was in Kläranlagen übrig bleibt, wird meist thermisch verwertet. In Guiyang in China will man daraus Wasserstoff gewinnen, um damit die Stadt zu versorgen.

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Wasserstoff soll in einer klimaneutralen Energieversorgung eine wesentliche Rolle spielen. Das setzt natürlich voraus, dass der Energieträger nicht wie bisher hauptsächlich aus Erdgas gewonnen wird, sondern aus erneuerbaren oder alternativen Quellen, die kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre blasen.

Elektrolyse mit Sonnenstrom ist ein heißer Kandidat dafür oder künstliche Fotosynthese nach Vorbild der Natur. Aber es sind durchaus noch weitere Prozesse vorstellbar, an deren Ende dieser Energieträger steht. Warum zum Beispiel nicht Klärschlamm in Wasserstoff umwandeln?

Diese Frage stellte man sich offenbar auch in der Stadt Guiyang im Südwesten Chinas. Dort möchte man immerhin einen ganzen Stadtteil auf Wasserstoffversorgung umstellen. Bei der Suche nach sinnvollen Quellen der Energieform kam man auch auf Kläranlagen.

Die Rückstände daraus werden dort heute üblicherweise in Verbrennungsanlagen thermisch verwertet, um beispielsweise Fernwärmenetze zu speisen – wie das etwa auch in Wien der Fall ist.

Ein Konzept für Guiyang

Mit der Suche nach einem geeigneten Prozess für eine Wasserstoffgewinnung aus Klärschlamm ist die Stadtverwaltung Guiyang bei der TU Wien und der Forschungsgesellschaft Bioenergy 2020+ gelandet. Hier wurde eine Technologie entwickelt, die – im Industriemaßstab und vergleichsweise effizient – aus den im Klärschlamm vorhandenen Kohlenstoffverbindungen Wasserstoff gewinnen lässt.

Projektleiter Matthias Kuba, der bei Bioenergy 2020+ für diese Technologie – die die etwas sperrige Bezeichnung "Dual-Fluidized Bed Steam Gasification (DFB-SG)" trägt – zuständig ist, ist mit seinen Kollegen nun dabei, ein Konzept für Guiyang zu entwickeln.

"In China hat man Klärschlamm aufgrund des Nährstoffgehalts lange Zeit auf die Felder ausgebracht. Bedenkliche Inhaltsstoffe wie Hormone oder Schwermetalle gehören aber dort nicht hin", erklärt Kuba, "mit dem Sprung zur thermischen Verwertung liegt man bei der Verwertung dort aber mittlerweile in der Nähe europäischer Standards." Im Fall der Stadt Guiyang ist aber eben nicht nur Wärme, sondern auch Wasserstoff als Endprodukt gefragt.

Dafür wird im Rahmen von DFB-SG ein Prozess verwendet, der einer Verbrennung zwar ähnelt, aber doch zu anderen Resultaten führt. In einem Reaktor werden bei diesem Vorgang, auch Dampfvergasung genannt, biogene, also auch kohlenstoffhältige Reststoffe – in diesem Fall eben Klärschlamm – gezielt erhitzt. Gleichzeitig wird aber nicht genug Sauerstoff zugeführt, um einen Verbrennungsvorgang zu nähren.

"Dadurch ist kein vollständiges Ausoxidieren des Kohlenstoffs möglich", erläutert Kuba. "Anstelle von Kohlendioxid, der bei der Verbrennung entstehen würde, bildet sich ein nutzbares Gas, das hauptsächlich Kohlenmonoxid und Wasserstoff enthält."

Ein zusätzlicher Reaktor in der Anlage nutzt den Klärschlamm für einen normalen Verbrennungsvorgang, um mit der gewonnenen Energie den Dampfvergasungsprozess anzutreiben. Nachgelagerte Prozesse zur Abtrennung und Aufreinigung machen den Wasserstoff energetisch verwertbar.

Selbstversorgeranlage

In Guiyang möchte man auf Basis dieser Technologie zwei Kraftwerke mit jeweils über sieben Megawatt Leistung bauen – was insgesamt ungefähr vier großen Off-Shore-Windkraftanlagen entspricht. Der Wirkungsgrad einer sich selbst versorgenden Anlage, die den Klärschlamm selbst trocknet, liegt laut Kuba bei 30 bis 35 Prozent: "Wie viel Wasserstoff wir letztendlich herausbekommen können, soll im Projekt beantwortet werden."

Teil der Arbeit von Bioenergy 2020+ – das K1-Zentrum wird durch das Comet-Programm von Verkehrs- und Wirtschaftsministerium gefördert – ist etwa eine genaue Analyse der Klärschlamm-Zusammensetzung, um den Prozess auf dieser Datenbasis optimieren zu können.

Bisher wurde die Dampfvergasung vor allem für die Elektrizitätsgewinnung aus Holz genutzt – ein Ansatz, der durch gestiegenen Holz- und gefallene Strompreise heute kaum wirtschaftlich ist. Die Anwendung des Prinzips auf Reststoffe ist dagegen noch weniger weit entwickelt.

Um das zu ändern, entsteht auf der Simmeringer Haide in Wien gerade eine Demonstrationsanlage, die verschiedene Verfahren erproben soll: Neben Wasserstoff als Endprodukt sind auch das mit Erdgas kompatible Methan oder ein flüssiger Treibstoff möglich. (Alois Pumhösel, 3.11.2019)