Eine Mahnwache vor dem Abdullah-Zentrum am Wiener Ring erinnert an den inhaftierten und zu Peitschenhieben verurteilten saudi-arabischen Blogger Raif Badawi.

Foto: Corn

Wenn ein Staat, in dem nichtmuslimische Minderheiten kein Recht auf öffentliche Religionsausübung haben, sich anderswo im interreligiösen Dialog engagiert, kann das schon Irritation erzeugen. Jene, die im Wiener König-Abdullah-Zentrum (Kaiciid) eine Hochburg des intoleranten Islam sehen und es gerne weghaben möchten, mögen aber auch irritiert gewesen sein, als bei der Diskussion um die Kaiciid-Schließung im Juni dieses ausgerechnet vom Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister verteidigt wurde.

Die Sache ist eben nicht so einfach. Dass aus dem Zentrum für "interreliösen und interkulturellen Dialog" Propaganda für den strengen salafistischen saudi-arabischen Islam, auch Wahhabismus genannt, kommen würde, ist nicht belegbar. Die Führung ist international aufgestellt, das Programm ist seriös. Das Personal der internationalen Organisation, die das Kaiciid rechtlich ist, ist in nationaler und religiöser Hinsicht bunt gemischt. Die Demonstranten und Demonstrantinnen vor dem Zentrum sehen es offenbar dennoch als politischen Vertreter Saudi-Arabiens.

Dabei gibt es auch eine Botschaft des Königreichs in Wien, mit einem jungen (Jahrgang 1988) neuen Botschafter aus der Königsfamilie, Prinz Abdullah bin Khalid bin Sultan Al Saud. Das heißt, die saudisch-österreichischen Beziehungen haben die Junikrise, verursacht durch die im Parlament beschlossene Kaiciid-Schließung, diplomatisch relativ gut überstanden. Auch Österreich hat einen Botschafter in Saudi-Arabien, er ist ein profunder Kenner des Landes, Georg Pöstinger.

Dass Saudi-Arabien vor allem unter dem neuen Kronprinzen, Mohammed bin Salman, viel für seine erhoffte Imagekorrektur ausgibt, ist unbestreitbar: Wobei kein Geld der Welt die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi vor einem Jahr in Istanbul aus der Welt schaffen kann, die auf Kronprinz Mohammed bin Salman direkt zurückfällt.

Nicht nur Buchreligionen

Aber kein Saudi-Kenner glaubt, dass die Wiener Stiftung des im Jänner 2015 verstorbenen Königs Abdullah einfach nur ein PR-Gag war. Dazu ist die Idee eines Dialogzentrums, in dem nicht nur die Buchreligionen Christentum und Judentum eine Stimme bekommen, sondern auch andere wie Hinduismus und Buddhismus, viel zu aufwändig und kontrovers. Die Einsicht, dass die saudische Engführung des Islam eine Sackgasse ist, soll sich bei Abdullah nicht zuletzt durch ein Treffen mit Papst Joseph Ratzinger verfestigt haben. Was natürlich auch schon wieder Anlass sein könnte, eine interreligiöse konservative Verschwörung zu wittern.

Das Kaiciid – das "Abdullah" nicht auf Wunsch der Saudis, sondern der anderen Gründungsmitglieder im Namen trägt – wurde 2011 gegründet und 2012 operativ. Dass neben Österreich auch Spanien Gründungsmitglied ist, ist Anlass zu folgender Verschwörungstheorie: In Wien wurden die Türken gestoppt, auf der Iberischen Halbinsel wurde durch die Reconquista der Islam wieder zurückgedrängt. Logisch, dass gerade in Österreich und Spanien wieder die Rückeroberung beginnt.

Die regelmäßige Mahnwache vor dem Kaiciid beschäftigt sich hingegen natürlich mit real existierenden Problemen. Auch die Reformwelle, die die persönlichen Freiheiten der saudischen Staatsbürger und -bürgerinnen tatsächlich beträchtlich erweitert haben, ändert nichts an der politischen Unfreiheit. Wer das System irgendwie infrage stellt, hat schon verloren. Übrigens gehören da nicht nur Liberale dazu wie der Blogger Raif Badawi oder die inhaftierten Frauenaktivistinnen: Die Gefängnisse sind auch voll mit islamischen Predigern. Das Narrativ, das den Islam zur eigentlichen Staatsräson auch nach außen macht – die Verwaltung der heiligen Stätten in Mekka und Medina –, wird momentan durch ein nationales arabisches Narrativ ersetzt. (Gudrun Harrer, 30.10.2019)