Die Polizei in Bayonne steht vor einem Rätsel. War es ein politisch motivierter Anschlag? Ein persönlicher Racheakt? Oder schlicht die Tat eines psychisch kranken Mannes? Tatsache ist: Bei einem Angriff auf eine Moschee im Südwesten Frankreichs sind am Montag zwei Menschen schwer verletzt worden. Der 84-jährige mutmaßliche Angreifer soll zunächst versucht haben, die Tür der Moschee in Bayonne anzuzünden. Dabei sei er von zwei Menschen überrascht worden. Der mutmaßliche Täter schoss auf die beiden und wurde wenig später festgenommen.

Zu seinem möglichen Motiv äußerte sich der 84-Jährige am Dienstag. Er wollte "die Zerstörung Notre Dames rächen". Der mutmaßliche Täter glaubt, dass das Feuer in der Kathedrale durch die muslimische Gemeinschaft gelegt wurde.

Die Kathedrale in der französischen Hauptstadt ist am 15. April abgebrannt. Die Ursache für das Feuer ist offiziell noch unklar. Es könnte aber durch einen Kurzschluss bei Arbeiten unter dem Dach ausgebrochen sein.

Polizeibeamte sichern den Tatort in Bayonne.
Foto: AFP / Gaizka Iroz

Der Angriff schlägt hohe Wellen im Land. Immer wieder ist es zuletzt zu politisch motivierten Anschlägen gekommen. Erst Anfang Oktober hatte in der Polizeipräfektur in Paris ein Mann vier Menschen erstochen. In seiner Wohnung wurde danach Propagandamaterial des "Islamischen Staates" (IS) gefunden.

In Bayonne könnten fremdenfeindliche Motive ausschlaggebend für die Tat gewesen sein. Der 84-Jährige war offensichtlich immer wieder durch abfällige Bemerkungen über Muslime und durch homophobe Äußerungen aufgefallen. Gesichert ist auch, dass der Mann lange Zeit enge Kontakte zum Front National (heute Rassemblement National) der rechtsextremen Politikerin Marine Le Pen hatte. Für die Partei hatte er im Jahr 2015 bei den Regionalwahlen kandidiert. Die Parteichefin distanzierte sich von der Tat und schrieb auf Twitter, dass es sich um einen "unvertretbaren Akt" handle, der den Werten der Bewegung widerspreche.

Alarmierende Zahlen

Immer häufiger wird nach solchen Vorfällen über die Verrohung und die Akzeptanz von Gewalt in der Gesellschaft diskutiert. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. So wurden im vergangenen Jahr 541 antisemitische Vorfälle registriert – 74 Prozent mehr als im Jahr davor. Zudem sind die Attacken auf Politiker sprunghaft angestiegen. Nach Angaben des Innenministeriums wurden voriges Jahr 361 Bürgermeister und Lokalpolitiker Opfer tätlicher Angriffe.

Offensichtlich ist auch, dass die Gelbwestenbewegung und die gewaltsamen Ausschreitungen bei deren Protesten zur Radikalisierung beigetragen haben. Häufig wird über die oft harten Einsätze der Polizei diskutiert. Zwar mahnen Politiker aller Parteien zur Mäßigung, doch gleichzeitig versuchen sie die Taten für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

Nächstes Jahr stehen Kommunalwahlen an. Sie werden als Abstimmung über die Politik des angeschlagenen Präsidenten Emmanuel Macron gewertet. Dieser wird in den nächsten Monaten versuchen, seine von vielen Seiten erbittert bekämpfte Sozial- und Rentenreform umzusetzen. Die Gewerkschaften haben für Dezember bereits zu landesweiten Streiks aufgerufen. Angesichts dieser aufgeheizten Grundstimmung wird befürchtet, dass radikale Kräfte weiter Öl ins Feuer gießen könnten. (Knut Krohn aus Paris, red, 29.10.2017)