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Alexander Vindman vor seiner Aussage hinter verschlossenen Türen.

Foto: REUTERS/Siphiwe Sibeko

Washington/Kiew – In der Ukraine-Affäre um möglichen Machtmissbrauch durch Donald Trump bringt ein hochrangiger US-Offizier den Präsidenten in Erklärungsnot. Oberstleutnant Alexander Vindman, Ukraine-Experte im Nationalen Sicherheitsrat, erschien am Dienstag für eine nichtöffentliche Aussage vor Abgeordneten im Kongress.

Vindman sagte hinter verschlossenen Türen aus – jene Passagen aus seinem Bericht, die bisher an die Öffentlichkeit gelangt sind, haben es aber in sich. In seinem Eingangsstatement, das schon im Voraus an die Öffentlichkeit gelangt war, äußerte er große Besorgnis über jenes Telefonat Trumps mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Juli, das im Zentrum der Affäre steht. Vorgeworfen wird Trump ja, er habe sein Amt missbraucht, um auf Ermittlungen gegen seinen möglichen demokratischen Konkurrenten Joe Biden und dessen Sohn zu drängen.

Konkret sagte Vindman nach Angaben der "New York Times" auch, dass im Gesprächsprotokoll Manipulationen stattgefunden hätten. "Wichtige Inhalte und Phrasen" seien trotz seiner Bemühungen aus dem Protokoll gestrichen worden. Dabei geht es unter anderem um eine Behauptung Trumps, es gebe Gesprächsaufzeichnungen, in denen Joe Biden über Korruption spreche. Außerdem soll Selenskyj in dem Telefonat auch die Firma Burisma namentlich erwähnt haben, in deren Aufsichtsrat Hunter Biden, der Sohn des ehemaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden, saß.

Kritik an EU-Botschafter

Es habe, sagte Vindman, zudem die Gefahr bestanden, "dass die nationale Sicherheit der USA untergraben wird". Auch sei er wegen der Auswirkungen auf die amerikanische Unterstützung für die Ukraine besorgt gewesen. Trump hatte rund 390 Millionen US-Dollar an Militärhilfe zurückgehalten – um Kiew so zu Ermittlungen gegen die Bidens zu drängen, wie seine Gegner vermuten.

Vindman kritisierte darüber hinaus das Vorgehen des US-Botschafters bei der EU, Gordon Sondland, in dem Fall. Dieser habe bei einem Treffen mit einer ukrainischen Delegationin Washington am 10. Juli darauf gedrungen, dass die Ukraine Ermittlungen zu den Bidens vorantreibe. Sondland habe Vindman zufolge den Ukrainern klargemacht, dass es einen von Selenskyj angestrebten Besuch im Weißen Haus nur geben werde, wenn dieser gegen die Bidens ermittle. "Ich habe Botschafter Sondland gesagt, dass seine Äußerungen unangemessen sind, dass die Forderung, gegen Biden und seinen Sohn zu ermitteln, nichts mit nationaler Sicherheit zu tun hat (...)." Auch diese Bedenken habe er nach dem Treffen einem Vorgesetzten weitergegeben, erklärte Vindman weiter.

"Spionage"-Vorwürfe auf Fox News

Trump versuchte nach dem Auftritt Vindmans, diesem via Twitter politische Motive in die Schuhe zu schieben. Der Oberstleutnant sei ein "Never-Trumper", der ihn als Präsidenten schon immer abgelehnt habe.

Trump nahestehende US-Medien griffen Vindman daraufhin wüst an. Die Moderatorin des TV-Senders Fox News, Laura Ingraham, sagte etwa, der in der Ukraine geborene Vindman habe womögliche noch immer ein Naheverhältnis zu jenem Land, in dem er auf die Welt gekommen sei. Vindman, der den hohen US-Militärorden Purple Heart trägt, sei der Ukraine womöglich stärker verbunden als den USA oder bezüglich seiner Loyalitäten "verwirrt". Ihr Gast John Yoo, einst ein hoher Jurist in der Regierung George W. Bushs, warf Vindman gar "Spionage" vor.

Gegen diese Vorwürfe verteidigten den Oberstleutnant später auch einige wenige prominente Republikaner. Die Kongressabgeordnete Liz Cheney sagte, es sei beschämend, den Patriotismus des verdienten Veteranen Vindman infrage zu stellen. Auch der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, und Senator Mitt Romney kritisierten den Präsidenten und dessen Behandlung Vindmans.

Telefonat am 25. Juli

Die Demokraten im US-Repräsentantenhaus treiben derweil die Ermittlungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump voran. Sie stellten in der Nacht auf Mittwoch ihre Pläne für öffentliche Zeugenbefragungen im Repräsentantenhaus vor. Nachdem in den vergangenen Wochen bereits mehrere Zeugen hinter verschlossenen Türen angehört worden waren, sollen nun im Geheimdienstausschuss der Kongresskammer öffentliche Anhörungen stattfinden. Die Republikaner können dann eigene Zeugen vorladen.

In einer nächsten Phase soll sich der Justizausschuss des Repräsentantenhauses mit den gesammelten Beweisen befassen. Das Weiße Haus wird die Beweise dann anfechten und eigene Beweise vorlegen können. Sollten sich die Vorwürfe gegen den Präsidenten ausreichend erhärten, soll der Ausschuss Anklagepunkte formulieren, über die das Repräsentantenhaus dann im Plenum abstimmen soll.

Noch in dieser Woche ist erstmals eine Plenumsabstimmung zu den Vorbereitungen für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump geplant. Das hatte die Vorsitzende der Kammer, die Demokratin Nancy Pelosi, am Montag in einem Schreiben an Abgeordnete angekündigt. Auf diese Weise könne das Weiße Haus das Fehlen eines Plenarbeschlusses nicht mehr als "grundlose" Ausrede nutzen, um die Untersuchung zu boykottieren. US-Medienberichten zufolge ist die Abstimmung für Donnerstag geplant.

Kritik an US-Botschafter bei der EU

Joe Biden gehört zu den aussichtsreichen Bewerbern für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bei der Wahl im November 2020, bei der Trump für die Republikaner zur Wiederwahl antritt. Bidens Sohn Hunter saß bis vergangenen April im Verwaltungsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma. Trump wirft ihm und seinem Vater deswegen Korruption vor. Die beiden weisen die Vorwürfe vehement zurück. (APA, mesc, 30.10.2019)