Wenn Diplomaten eine neue Mission übernehmen, ist das oft mit einer großen Übersiedlung verbunden. Nicht so beim neuen Chef der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Mariano Grossi: Der Argentinier repräsentiert hier schon seit 2013 sein Land als Botschafter. Zwischen seinem alten Büro in der Wiener City und dem neuen in der Uno-City liegen gerade einmal vier Kilometer Luftlinie.

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Der argentinische Diplomat Rafael Mariano Grossi wird Chef der Atombehörde IAEA.
Foto: AP Photo/Ronald Zak

Nachdem IAEA-Generaldirektor Yukiya Amano im Juli im Amt verstorben war, galt der 58-jährige Karrierediplomat als Favorit auf den Posten. Grossi gilt als unparteiisch und dialogorientiert. Er selbst erklärte, einen "sehr konsequenten und sehr fairen" Ansatz gegenüber dem Iran verfolgen und als "ehrlicher Vermittler" und "ohne versteckte Agenda" auftreten zu wollen.

Seine Karriere begann Grossi nach Studien der Politologie an der Universidad Católica Argentina und am Instituto del Servicio Exterior de la Nación 1985 im Außenministerium. 1991 schloss er in Genf ein Masterstudium in Internationalen Beziehungen ab.

Als Spezialist für Abrüstung und Atomwaffenkontrolle war er schon ab 1997 in leitender Position bei den Vereinten Nationen tätig.

Bei der IAEA in Wien fungierte Grossi von 2002 bis 2007 als Kabinettschef, daneben war er bei der Organisation für das Verbot chemischer Waffen in Den Haag tätig. Nach Zwischenstationen in Buenos Aires und Brüssel kehrte Grossi 2010 nach Wien zurück, zuerst als IAEA-Vizedirektor, dann – ab 2013 – als Botschafter für Österreich, die Slowakei und Slowenien. Schon 2015 nominierte die argentinische Regierung ihren "Mann in Wien" für das Amt des IAEA-Generaldirektors.

Die Tatsache, dass Grossi Lateinamerikaner ist, mag ja Zufall sein; doch es ist bemerkenswert, dass "sein" Kontinent aufgrund eines politischen Zwischenfalls dauerhaft auf Atomwaffen verzichtet: Die Kuba-Krise hatte die Welt 1962 an den Rand eines Atomkriegs gebracht – als Folge davon wurden Lateinamerika und die Karibik 1967 im Vertrag von Tlatelolco zur atomwaffenfreien Zone erklärt. Argentinien ratifizierte ihn erst 1994, zuvor strebte das Land selber – wie auch Brasilien – nach Atomwaffen. Nach wie vor gibt es ein großes Anreicherungsprogramm.

Abrüstung wird wohl im Mittelpunkt von Grossis neuem Mandat stehen: Er kündigte an, die IAEA "nachkalibrieren" und die nukleare Sicherheit forcieren zu wollen. (Gianluca Wallisch, 29.10.2019)