Mehr als 300 Studierende leben im Studentenheim Greenhouse in der Seestadt Aspern.

Foto: ÖJAB

Auf der Dachfläche des Studentenheims wird die Kraft der Sonne genutzt.

Foto: ASCR/Walter Schaub-Walzer

Die Sonne strahlt in der Wiener Seestadt Aspern vom Himmel. So weit man schaut, drehen sich die Baukräne im rasch wachsenden Stadtentwicklungsgebiet. Auch die Fotovoltaikmodule auf dem Dach des Greenhouse-Studentenheims arbeiten jetzt auf Hochtouren. Sie erzeugen Energie, die sechs Stockwerke unter ihnen in einer Batterie im Keller gespeichert wird.

Das Greenhouse ist ein Forschungsprojekt der Aspern Smart City Research (ASCR). Das Studentenheim der Heimträger WBV-GPA, ÖJAB und OeAD produziert und speichert seinen eigenen Strom. Ein Algorithmus kennt Nutzerverhalten und Wetterbericht. Das smarte Gebäude weiß vorab, wie viel Stromüberschuss produziert und in der Strombörse weiterverkauft werden kann.

An diesem Vormittag ist es noch ruhig im Studentenheim. Der Tischfußballtisch im Eingangsbereich ist ungenutzt, die Waschmaschinen in der nahen Waschküche stehen still. Ein Teil der auf dem Dach erzeugten Sonnenenergie wird dennoch gleich weiterverwendet. Damit wird jetzt Warmwasser aufbereitet, das später benötigt wird. Das System ist ausgeklügelt: Heißt es im Wetterbericht, dass die Sonne an einem grauen Herbsttag erst um 11 Uhr herauskommt, dann wird mit der Aufbereitung eben so lange gewartet.

Virtuelles Kraftwerk

Mit dem Projekt in der Seestadt soll das Wiener Energiesystem in die Zukunft geführt werden. "Jetzt üben wir es in einem kleinen Biotop, aber das wird es in Zukunft in ganzen Stadtteilen geben", erklärt Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Sie rechnet vor: Wenn 20 Prozent der Wiener Gebäude mit der getesteten Technologie ausgestattet werden, lasse sich ein Gewinn von 30 Millionen Euro pro Jahr erwirtschaften.

"Wir werden zunehmend zum Energiemanager", beschreibt Wien-Energie-Chef Michael Strebl die Zukunft seines Unternehmens, bevor er über eine Leiter aufs Dach klettert und die 1300 m² umfassenden Kollektorflächen inspiziert. Mit dem virtuellen Kraftwerk FlexPool können Gewerbekunden schon heute überschüssigen Strom verkaufen. Zukünftig werden auch private Solaranlagen und Wärmepumpen eingebunden. Das kann sich auszahlen: Das Greenhouse spart sich durch den Batteriespeicher und die Vermeidung von Strombezug zu Netzspitzenzeiten bis zu 5000 Euro pro Jahr.

Um mehr über das Nutzerverhalten herauszufinden, wird der Energieverbrauch von 15 der mehr als 300 Bewohner des Studentenheims von der ASCR im Detail – und anonymisiert – beobachtet. Die Studierenden haben sich dazu bereiterklärt – "gegen einen Bonus", so Michael Gehbauer, Chef der WBV-GPA. Problem sei das bisher noch keines gewesen, sagt Heimleiterin Judith Kittelmann und schmunzelt: "Solange dafür niemand ins Zimmer muss."

Kühlung fehlt

Was man so lernt: "Die Verbräuche sind sehr heterogen", sagt Robert Hammerling von der ASCR. Insgesamt sei der Energieverbrauch im Haus "ein bisschen höher, als wir gedacht haben". Hammerling führt das auf die hohe Auslastung des Studentenheims zurück. Mittlerweile werde zudem mehr Energie für die Warmwasseraufbereitung als für das Heizen verwendet. Früher sei das umgekehrt gewesen. Was vielen Studierenden fehlt, ist eine Kühlung. Im heißen Sommer stellen sich die Bewohner Ventilatoren ins Zimmer.

Dass sie sozusagen in einem Versuchslabor wohnen, bekommen die Bewohner des Hauses nicht mit. Das bestätigt auch eine Anglistik-Studentin aus Thüringen, die es in die Seestadt verschlagen hat.

Auch bei der ASCR ist man mit dem Forschungsprojekt zufrieden. Und damit, dass die Tauben, die anfangs die Kollektorflächen auf dem Dach regelmäßig verschmutzt haben, mittlerweile weitergezogen sind. (Franziska Zoidl, 2.11.2019)