Die Geschichte wiederholt sich, könnte man fast sagen: Am 29. Oktober 2009 besetzten Studierende das Audimax der Universität Wien. Die #UniBrennt-Bewegung nahm ihren Lauf und breitete sich parallel an einigen Hochschulstädten in Europa aus. Die Studierenden protestierten damals nicht nur gegen die Bologna-Reform, sondern etwa auch gegen überfüllte Hörsäle, schlechte Betreuungsverhältnisse und Zugangsbeschränkungen.

Zehn Jahre später steht nun die Technische Universität Wien im Fokus neuer Protesten. Seit vergangenem Freitagabend besetzen Architekturstudierende das leerstehende Lokal Nelson's im Innenhof der Uni. Das Gebäude steht leer, weil der Vertrag seitens der TU Wien nicht verlängert wurde.

Das besetzte leerstehende Café Nelson's am Dienstagabend

"Seit eineinhalb Jahren wird es hauptsächlich als Lager genutzt. Gleichzeitig haben wir zu wenige Arbeitsplätze an der Uni", sagt Theresa, eine der circa 20 Besetzerinnen und Besetzer des Kollektivs Zeichensaal Nelson's, zum STANDARD. Architektur zu studieren ginge "schwer nur zu Hause, Ideen entstehen im Kollektiv, wir helfen und inspirieren uns gegenseitig – wie in einem Architekturbüro auch". Arbeitsplätze seien eine "Notwendigkeit, kein Luxusgut", sagt Theresa.

Das besetzte leerstehende Gebäude im Innenhof der Technischen Universität Wien.
Foto: Facebook/Zeichensäle Nelson's

Wenig Platz pro Studierenden

Die Architekturstudentin verweist auf die Studie "Räume für die Architekturlehre", die in Kooperation mit dem Dekanat durchgeführt wurde. Derzufolge hätten die Architekturstudierenden je 0,12 Quadratmeter Platz zum Arbeiten. An der TU München seien es hingegen 2,63 Quadratmeter. "Die Professoren und das Dekanat kennen das Problem und setzen sich trotz Widerstand des Rektorats für uns ein. Seit Jahren wurde dementsprechend viel zu wenig gemacht", sagt Theresa. Da sei das leerstehende Nelson's, das der Uni nichts koste, "eine unbewusste Provokation" und die Besetzung "wie eine letzte Verzweiflungstat".

Wenig Platz für Architekturstudierende an der TU Wien.

Nach fünf Tagen Besetzung – die Studierenden übernachteten staffelweise im Café und arbeiten dort – stellte das Rektorat heute, Mittwoch, ein Ultimatum. Die Studierenden sollten bis 14 Uhr das Gebäude verlassen; im Gegenzug biete ihnen das Rektorat ab Montag ein Ausweichquartier bis Dezember an. "Wie kann es sein, dass es nun auf einmal Räume geben soll, wo seit Jahren nichts dergleichen passiert ist? Und was passiert nach dieser Frist?", fragt Nora, eine weitere Aktivistin.

Die Studierenden forderten vom Rektorat eine Zusicherung, dass es auch nach Dezember Lernplätze geben wird. Es folgten Gespräche der Aktivisten mit dem Rektorat. Im Plenum wurde beschlossen, das Gebäude zu räumen, nach der Frist übersiedeln die Studierenden in die Zeichensäle der TVFA-Halle am Erzherzog-Johann-Platz. "Es ist nicht unser Ziel, dauerhaft zu besetzen, sondern so eine langfristige Lösung zu erzielen", sagt Theresa.

Die Aktivisten im Plenum.

Nicht nur die Architekturstudierenden seien davon betroffen, dass es zu wenige Lernplätze an der TU Wien gibt, sagt Theresa. Deshalb hätten sich auch Studierende aus anderen Fächern mit den Aktivisten solidarisiert. Seit drei Tagen sammeln die Aktivisten auch per Petition Unterschriften für mehr studentische Arbeitsplätze. Laut eigenen Angaben konnten über 680 Unterschriften gesammelt werden.

Vonseiten der Hochschulvertretung gab es dazu vorerst keine persönliche Stellungnahme, eine Aussendung soll noch folgen. Derzeit bespreche sich die Hochschulvertretung mit der Fachschaft der Architektur, heißt es bei den Aktivisten. (Selina Thaler, 30.10.2019)