Frisch aus dem Atelier: ein farbenfroher und sonnig anmutender klassischer Hermann Nitsch, "Ohne Titel", 2019, Acryl auf Jute (150 x 100 cm) bei Margund Lössl (Galerie 422).

Foto: Galerie 422 Margund Lössl

Kompromisslos ist ein Wort, das in Bezug auf Maria Lassnig immer wieder fällt. Denn das stete Überarbeiten und Vorantreiben der Malerei hat sie bekanntlich ins Zentrum ihres Wirkens gestellt.

Heuer wäre die Begründerin der sogenannten Körperbewusstseinsbilder 100 Jahre alt geworden. Mit ein Grund, sie zeitgleich zu ihrer Retrospektive in der Albertina auch in der Hofburg zu feiern, wo man neben Papierarbeiten Gemälde wie Le jeu du destin von 1999 (Galerie Kovacek & Zetter) präsentiert: Das großformatige Ölbild zeigt eine riesenhafte Figur, die aus dem Meer herausragt und wie ein Puppen spieler die Geschicke von Schiffen lenkt.

Lassnig selbst hat das Schicksal 1947 mit Arnulf Rainer zusammengebracht: Sie waren einige Jahre ein Paar, bevor man (auch in der Kunst) wieder eigene Wege ging. Rainer, dem man derzeit mit einer Hommage in der Albertina zum 90er gratuliert, entwickelte seine Überzeichnungen aus dem Strich heraus: Es ging ihm um Leere und Konzentration sowie die Ausgewogenheit zwischen Farbe, Malgrund und Bildformat. Beispielhaft dafür steht Übermalung mit Ecke von 1959–62 (Galerie Ruberl): Das Bild ist mit Graphit und Wachskreide fast völlig geschwärzt, wäre da nicht eine Ecke, wo die Farbe ins Leere ausfranst.

Alles fließt

Bei Ruberl ist Rainer außerdem mit Fitzen (19 Knäuel) (1970–71) vertreten: einer Arbeit aus der Serie der Gesichtsübermalungen, für die er fotografische Selbstporträts mit expressiven Grimassen und gestischen Strichen zum Leben erweckt.

Als Dritter im Bunde der Geburtstagskinder sei weiters Arik Brauer erwähnt. Der Vertreter des Phantastischen Realismus wurde bereits im Januar 90 und stellt mit einem aktuellen "Jedermann"-Zyklus (Galerie Weihergut) seinen anhaltenden Schaffensdrang unter Beweis. Das Bild Hiroshima von 1958/60 (Kovacek – Spiegelgasse) fällt interessanterweise aus dem für ihn typischen fantastisch-realistischen Rahmen: Es zeigt eine hell erleuchtete Mitte, um die ein aufgewühltes Chaos kreist.

Beruhigend, fast meditativ, wirkt dagegen Friedensreich Hundertwassers La Pluie – Jour de Pluie Verte (Albertina – Zetter): Es ist 1959 entstanden und führt mitten hinein ins regnerische Österreich, wo Flüsse eine sattgrüne Landschaft durchwachsen.

Dass sich die jüngere Künstlergeneration längst von ihren "Vätern" befreit hat, wird im Messeangebot nachvollziehbar: Herbert Brandl hat an die Stelle der Landschaftsillustration die "pastose Farbexplosion" gesetzt (Galerie Klaus & Elisabeth Thoman), Gunter Damisch führt in kosmische Mikro- bzw. Makrostrukturen (Galerie Hilger), und Erwin Wurm entdeckte im Essiggurkerl ein Sinnbild für bürgerlichen Mief (Galerie Reinisch).

Nachkriegskunst

Genau davor war Christa Hauer zeitlebens gefeit. Sie gilt als au ßergewöhnliche Erscheinung in der österreichischen Nachkriegskunst: wegen ihrer expressiven Bilder mit mondänen Titeln wie Abflug bei Sonnenuntergang aus New York von 1986 (Galerie Kopriva), aber auch, weil sie sich daneben immer kulturpolitisch, zeitweilig als Galeristin (Griechenbeisl) betätigt hat. (Christa Benzer, 31.10.2019)

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Reiche Blütenlese

Die Sonnenblume ist in der Kunst keine unbekannte Größe. Meist wird sie mit Van Gogh assoziiert. So unbestritten sein Einfluss auf die Moderne war, die "Aussaat" als Motiv begann schon im 16./17. Jahrhundert, in botanischen Einzeldarstellungen oder in der klassischen Blumenmalerei, an die man im 19. Jahrhundert anknüpfte.

Die Sonnenblume als Motiv in der Kunst – etwa bei Artur Nikodem 1929.
Foto: Galerie Maier

Im Vergleich zu anderen Sorten, die Künstler aufgrund ästhetischer Kriterien und dem kunstvollen Aufbau der Blüte und effektvollen Farbschattierungen wählten, blieb die Sonnenblume aufgrund ihres schlichten, ein wenig gewöhnlich wirkenden Erscheinungsbilds eine Rarität. Ihren Durchbruch verdankt sie den Impressionisten und der nachfolgenden Moderne, nicht nur international, sondern auch hierzulande, wie zwei Beispiele im Messeangebot belegen. Die Galerie Kohlhammer & Mahringer (Wien) zeigt ein in Venedig am Strand einer Lagune verewigtes Sonnenblumenfeld von Marie Egner. In ländliches Gebiet, genauer nach Tirol, lockt bei der Galerie Maier (Innsbruck) ein charakteristisches Werk von Artur Nikodem, in dem üppige Sonnenblumenpracht 1929 den Blickfang (siehe Detailabb.) in einer Landschaft bildete, die stilistisch an geometrisch-ornamentale Elemente seiner frühen Secessionsmalerei erinnert.

Entspannen à la Loos

Woher das Bedürfnis kommt, sich in ein Polstermöbel zu setzen und einen Fuß über die Armlehne zu hängen, ist unbekannt. Fakt ist, es existiert, und jene, die es praktizieren, wissen um den Entspannungseffekt. "Jede Art der Ermüdung verlangt einen anderen Sesseltyp", wusste schon Adolf Loos. Eine Erkenntnis, die in einem Zusammenhang mit dem USA-Aufenthalt des österreichischen Architekten und seiner Beschäftigung mit internationalen Wohngepflogenheiten stand.

Die Londoner Firma Hampton & Sons produzierte den "New Shaped Easy Chair" nach einem Entwurf des britischen Designers William Birch.
Foto: Galerie Susanne Bauer

Bei Sitzmöbeln ginge es darum, "dass man sich schnell ausruhen kann. Time ist money", laute die Maxime. In angelsächsischen Clubs stieß er auf einen dort gebräuchlichen Lehnstuhltyp: den von der Londoner Firma Hampton & Sons produzierten "New Shaped Easy Chair" nach einem Entwurf des britischen Designers William Birch. Die Ähnlichkeit zum sogenannten "Knieschwimmer", den Loos ab 1906 von der Firma Friedrich Otto Schmidt (Wien) produzieren ließ, ist frappant, wie das von Susanne Bauer offerierte Exemplar (siehe Abb.) dokumentiert.

Wie bei zahlreichen anderen Möbeltypen, die er in seine Interieur-Projekte integrierte, handelt es sich um ein Redesign bereits vorhandener Vorbilder. Einen Neuentwurf erachtete Loos als überflüssige Zeitverschwendung. (kron, 31.10.2019)