Hackerangriffe sollen dem russischen Image im Sport weiter zusetzen.

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Die Bären sind los, wieder einmal. "Fancy Bears" oder auch Strontium oder auch APT28, unter diesen Namen läuft eine Hackergruppe, die im sogenannten Westen in Verbindung mit russischen Geheimdiensten gebracht wird. Den Fancy Bears werden Attacken nicht nur auf die IT-Systeme des Deutschen Bundestags und der US-Demokraten, sondern auch auf den Sport zugeschrieben.

Schon vor den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro, wo (ausgewählte) russische Sportlerinnen und Sportler nach einem Staatsdopingskandal nur unter neutraler Flagge starten durften, waren die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) und die US-Anti-Doping-Behörde (Usada) gehackt worden, so gerieten medizinische Daten von (westlichen) Sportlern an die Öffentlichkeit – vor allem von Athleten, die dank einer Ausnahmegenehmigung (TUE) auf ansonsten unerlaubte Mittel zurückgreifen dürfen, etwa auf Asthmasprays.

Nada "nicht betroffen"

Nun wiederholt sich die Geschichte. Das US-Unternehmen Microsoft gab bekannt, dass es Cyberangriffe auf 16 Sport- und Anti-Doping-Agenturen gab. Ein Teil dieser Angriffe sei erfolgreich gewesen, die Mehrzahl nicht. Genauere Angaben wurden dazu nicht gemacht.

Seitens der österreichischen Anti-Doping-Agentur (Nada) sagte David Müller am Dienstag dem STANDARD, sie sei "nicht betroffen". Müller findet es "auffällig", dass die Attacken neuerlich relativ knapp vor einer Entscheidung über einen russischen Olympia-Ausschluss lanciert wurden. Er glaubt nicht an einen Zufall. "Das findet statt, wenn es für Russland eng wird." Die Hacker, sagt Müller, würden "Nebelgranaten" streuen, das Ziel sei Diskreditierung und Desinformation. Bei einem guten Teil des Publikums bleibe am Ende hängen, "dass eh überall gedopt wird".

Wenn sich Vorwürfe bestätigen, hilft das den Nebengranatenstreuern natürlich. Vor wenigen Wochen hatten die Fancy Bears mehreren Medien Material über den Leichtathletiktrainer Alberto Salazar zugespielt. Das von Salazar geleitete und von Nike finanzierte "Nike Oregon Project" ist mittlerweile Geschichte, Salazar soll an Sportlerinnen und Sportlern regelrecht "herumexperimentiert" haben, er wurde wegen Dopingverstößen für vier Jahre gesperrt. David Müller sagt dazu: "Das Nike Oregon Project ist aber immer noch eine ganz andere Dimension als staatliches Doping", nämlich eine weitaus geringere.

Kenia stark betroffen

Der Wiener Leichtathletiktrainer Wilhelm Lilge ist als pronouncierter Dopinggegner der letzte, der im Falle Russlands Milde walten lassen würde. Er verweist aber darauf, dass es auch in Russland sauberen Sport gebe, und wünscht sich "auch bei anderen Ländern strengere Behandlung".

Bestes Beispiel Kenia. Dort seien in den vergangenen Jahren dutzende Läufer des Dopings überführt worden – ohne dass es für den kenianischen Verband merkbare Sanktionen setzte. Lilge: "Dabei waren auch namhafte Athleten betroffen", etwa Asbel Kiprop, der als Olympiasieger und viermaliger Weltmeister über 1500 Meter wegen EPO-Dopings für vier Jahre gesperrt wurde.

Müller nennt Lilges Einwand "berechtigt", merkt aber an, dass Dopingfälle immerhin Indiz dafür seien, dass ein Kontrollsystem existiert und funktioniert. Auch Kritik an der Wada sei "nachvollziehbar". Sie wird halb von staatlicher Seite, halb vom organisierten Sport finanziert. Ergo sieht es ungut aus, dass der Schotte Craig Reedie als Wada-Präsident auch Vorstandsmitglied des IOC ist, der weltweit wichtigsten Sportorganisation. Lilge: "Wo bleibt da die Unabhängigkeit?"

Mag sein, bald ändert sich etwas zum Besseren. Bei der Wada-Weltkonferenz ab 5. November in Katowice hat Polens Sportminister Witold Banka quasi ein Heimspiel. Der ehemalige 400-m-Läufer steht als Nachfolger Reedies (ab Anfang 2020) fest. Banka hat den Sportlerinnen und Sportlern mehr Mitspracherecht zugesagt und will die Finanzierung der Jagd auf Dopingsünder auf neue Beine stellen – seien die Sünder nun privat oder seien sie staatlich. (Fritz Neumann, 31.10.2019)