David Bowie gönnt sich während einer Studiopause in den 1970er-Jahren ein Schmaukerl.

Foto: Parlophone

"Time takes a cigarette, puts it in your mouth/ You pull on your finger, then another finger, then your cigarette/ The wall-to-wall is calling, it lingers, then you forget/ Ohh how how how, you're a rock 'n' roll suicide."

Wenn das Leben früher einmal Pause machen wollte (oder wir von ihm), steckte es uns eine Zigarette in den Mund. Und es stellte uns an eine Bar. In der lief zum Beispiel David Bowies Rock 'n' Roll Suicide, ein Lied, das selbstverständlich nichts mit Selbstmord, sondern mit totaler Hingabe an und Ausbrennen für eine Idee zu tun hat, eben dem Rock 'n' Roll. Mit diesem Lied beendete die Bühnenfigur Ziggy Stardust Anfang der 1970er-Jahre ihre Karriere beziehungsweise Existenz.

David Bowie

David Bowie war wie so viele andere Popmusiker damals leidenschaftlicher Kettenraucher. Immerhin heißt es in der Kunst der dreiminütigen Lieder zwar auch weiterhin, möglichst rasch von null auf hundert und damit auf den Punkt zu kommen. Man verwechselt das seit Jahrzehnten und ihren unseligen Castingshow-Formaten aber gern mit Leistungssport. Mehr als 50 Jahre danach gilt allerdings immer noch, dass ein Auftritt zwei Stunden dauert und der Rest der Wachphase aus Warten auf den Gig besteht.

Recht auf Selbstbeschädigung

Warten ist eine Übung in Unsterblichkeit. Warten lehrt Demut. Rauchen überbrückt die Zeit hin zur Unendlichkeit. Und das Rauchen bedeutet den Tod. Was vor Jahrzehnten noch als mondäner Ausdruck von Eleganz, Weltläufigkeit und wohl auch schlicht und einfach als selbstbewusster Ausdruck einer freiwilligen Abhängigkeit von einem Suchtmittel durchging, war natürlich immer schon von einer Gewissheit überschattet: Teer in den Lungen ist nicht gesund, sondern kann tödlich enden.

Rasselnder Atem, das Praterfahren beim Stiegensteigen, der furchtbare Husten, das stinkerte Gewand, das Schädelweh nach einem Packerl Tschick beim nächtlichen Ausschweifengehen: Es gibt viele Gründe, sich das Rauchen nicht anzutun oder damit aufzuhören. Der eine beste Grund dagegen wird meistens verschwiegen: Rauchen hat auch mit Genuss zu tun. Das Recht des Menschen auf Unvernunft und Selbstbeschädigung ist nicht eines der geringsten Rechte. Ob man damit anderen Menschen schadet, steht auf einem anderen Blatt.

Anderen tut der Schnaps nicht gut, oder der BMW

Meinem persönlichen Wohlergehen schaden zum Beispiel eine türkis-blaue Regierung und die FPÖ in der Gesamterscheinung ihrer Einzelfälle. Anderen tut der Schnaps nicht gut, wieder anderen nicht ihr BMW.

Nach nur 27 Jahren Anlauf (erinnert sich jemand an SPÖ-Gesundheitsminister Michael Ausserwinkler?), jahrzehntelangem Hinsichteln und Rücksichteln, Ausnahmeregeln, Regierungsabkommen bezüglich Raucherlaubnis trotz Rauchverbots – und zuletzt einer Marlboro-Orgie auf Ibiza – ist es nun ab 1. November so weit. In Österreichs Gastronomie zieht das endgültige (und vorerst uneingeschränkte) Rauchverbot ein.

Die Zigarette ist eine Tochter der Zeit

Die Zigarette ist eine Tochter der Zeit. Vielleicht haben wir uns rauchfreie Lokale redlich verdient. Wer künftig in den Musik- und Konzertlokalen des Landes steht und erstmals erfährt, dass die jahrzehntelange Kopplung von Alkoholkonsum mit Zigaretten nicht mehr erlaubt ist, wird allerdings auch eines feststellen: Wenn in einem Lokal nicht mehr geraucht wird, merkt man erst, dass nicht jeder in diesem Land regelmäßig Deo und Seife verwendet. Das sind die Schattenseiten des gesunden Lebens. Sie wohnen in Körpergegenden, wo die Sonne nie hinscheint.

Hören wir am 31. Oktober also zum Abschied "Rock 'n' Roll Suicide". Oder denken wir an die Szene aus der Doku "Lemmy" über den Motörhead-Sänger Lemmy Kilmister. Der wird in seinem Stammlokal in Los Angeles gefragt, wie er denn mit dem Rauchverbot in der Bar umgehen würde. Lemmy zündet sich eine Zigarette an und fragt überrascht: "Wie, hier herrscht Rauchverbot?!" Lemmy starb 2015 an Krebs: "You know I'm born to lose, and gambling is for fools/ But that's the way I like it baby I don't wanna live for ever." (Christian Schachinger, 31.10.2019)