Der Start der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen verzögert sich.

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Die politischen Turbulenzen mit vorgezogenen Wahlen im Vereinigten Königreich, aber auch die Regierungskrise in Rumänien könnten den Start der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen neuerlich verzögern. An sich hätte ihr Team offiziell mit 1. November seine Arbeit aufnehmen sollen. Weil zwei Kandidatinnen und ein Kandidat bei den Anhörungen in Ausschüssen des Europäischen Parlaments (EP) Anfang Oktober durchgefallen sind, zuletzt spektakulär die Französin Sylvie Goulard, wurde der Amtsantritt bereits auf 1. Dezember verschoben.

Jean-Claude Juncker muss mit seinen Kommissaren so lange weitermachen, bis die Neuen anfangen, wofür ein Mehrheitsbeschluss im Plenum des EP nötig ist. Der Termin 1. Dezember wackelt, von der Leyen könnte erst nach Weihnachten loslegen.

Sie hatte ihr Team mit 27 Mitgliedern (sie eingeschlossen) angelegt – also bereits ohne Kommissar aus Großbritannien. Man hatte im Sommer damit gerechnet, dass die Briten am 31. Oktober aus der EU austreten. Gemäß EU-Verträgen muss jedes Mitgliedsland je einen Vertreter in die Kommission schicken. Premierminister Boris Johnson dachte bisher aber nicht daran, das zu tun.

Rechtliche Unsicherheiten

Weil der Brexit von den Staats- und Regierungschefs inzwischen auf (spätestens) 31. Jänner 2020 verschoben wurde, gibt es nun rechtliche Unklarheiten. Spitzenjuristen in Rat und Kommission prüfen derzeit, ob ein Land wegen besonderer Umstände einfach auf eine Nominierung verzichten kann. Die Notlösung könnte sein, dass der derzeitige britische Kommissar Julian King, der für Sicherheit und Terrorabwehr zuständig ist, einspringt und bleibt. Mittwoch bestätigte er, es habe diesbezüglich jedoch noch niemand mit ihm gesprochen. Da er bereits Kommissar ist, wäre das Risiko, bei der Anhörung durchzufallen, gering. Der 1. Dezember könnte sich also ausgehen.

Das ist aber im Fall eines von Rumänien gestellten Kandidaten keineswegs garantiert. Die erste Anwärterin auf das Amt des Transportkommissars, die Sozialistin Romana Plumb, scheiterte im Oktober wegen persönlicher finanzieller Ungereimtheiten. Die umstrittene sozialistische Übergangsregierung von Viorica Dancila und Staatspräsident Klaus Iohannis liefern sich seither um die Nachnominierung ein hartes Match.

Präsidentenwahl als Stolperstein

Beide stehen im Präsidentenwahlkampf. Nächste Woche sollte eine neue Regierung angelobt werden, unter dem liberalen Premier Ludovic Orban. Der will zwei Kandidaten, die EU-Abgeordneten Adina Valean und Siegfried Muresan (beide Christdemokraten), vorschlagen. Dancila hat ihren Europaminister, Victor Negrescu nominiert. Iohannis legte sich quer. Von der Leyen hat alle aufgefordert, "unverzüglich" für Klarheit zu sorgen und einen Kandidaten zu schicken, der von allen akzeptiert wird.

Bleibt noch das Problem, dass auch die von Ungarn und Frankreich nachnominierten Kandidaten – zwei Männer – die Anhörungen im EP erst noch überleben müssen. Bei Ungarn gibt es daran kaum Zweifel, der nominierte EU-Botschafter Olivér Várhelyi, gilt als sauber. Kritische Fragen darf Frankreichs früherer Finanzminister Thierry Breton erwarten, der statt Goulard Binnenmarkt- und Industriekommissar werden soll.

Er war bis zuletzt Chef und Großaktionär des Technologieunternehmens Atos, mit einem Aktienanteil im Wert von 34 Millionen Euro. Wegen Unvereinbarkeit mit dem Kommissarsjob wird er diesen verkaufen müssen, hat er in der Vorprüfung zugesagt. (Thomas Mayer aus Brüssel, 31.10.2019)