Das Parlament wird 2021 fertig, die Demokratie bleibt eine Baustelle.

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Österreich ist eine demokratische Republik, ihr Recht geht vom Volk aus. Die Bundesverfassung legt das fest, doch die praktische Umsetzung dieses Prinzips kann nie abgeschlossen sein: Die Gesellschaft, die sich dieser demokratischen Ordnung unterwirft, entwickelt sich immer weiter. Deswegen gibt es auch im Jahr 2019 noch genügend Anlässe für Reformen im Staat Österreich.

Ein wachsendes Problem stellt etwa der Umstand dar, dass immer weniger Menschen, die in Österreich leben, auch die hiesige Staatsbürgerschaft besitzen. Weil das Wahlrecht auf Bundes- und Landesebene an einen rot-weiß-roten Pass geknüpft ist, folgt daraus: Ein immer kleinerer Teil der Bevölkerung der Republik entscheidet über ihre Gesetze mit. Dass die "Untertanen" selbst über das Recht entscheiden sollen, ist aber ein demokratisches Grundprinzip.

Für viele Linke ist die Lösung eine Liberalisierung des Wahlrechts: Wer in Österreich seinen Lebensmittelpunkt hat, solle auch mitentscheiden dürfen, so die Forderung. Politiker rechts der Mitte lehnen das allerdings strikt ab. Als Kompromiss denkbar wäre allenfalls ein leichterer Zugang zu Staatsbürgerschaften, inklusive der Möglichkeit, seinen "alten" Pass zu behalten. So oder so muss das Thema angegangen werden.

Neue Modelle für direkte Demokratie

Ein anderes Thema hat sich die türkis-blaue Bundesregierung zwar ins Programm geschrieben, aber nie umgesetzt: direkte Demokratie. Da vereinbarten ÖVP und FPÖ einen Fahrplan für eine Reform – auf Druck der Freiheitlichen. Die Umsetzung sollte aber erst zum (geplanten) Ende der Legislaturperiode im Jahr 2022 erfolgen. Mit der Regierung scheiterte auch dieses Vorhaben. Insgesamt ist die aktuelle Situation für Anhänger der direkten Demokratie unbefriedigend: Für ein erfolgreiches Volksbegehren braucht es 100.000 Unterstützer, im Parlament werden die Initiativen dann schnell verräumt. Eine bindende Volksabstimmung kann überhaupt nur vom Parlament initiiert werden. Eine Reform könnte neue Formen moderner, direktdemokratischer Teilhabe bringen – eingebettet in das System der repräsentativen Demokratie.

Apropos modern. Österreich besteht heute als Bundesstaat mit neun Bundesländern, weil bei der Gründung der Republik die Interessen dieser kleineren Nationen ausgeglichen werden mussten. Zeitgemäß ist das heute nicht mehr. Was nicht heißt, dass die Bundesländer gleich abgeschafft gehörten. Doch Doppelgleisigkeiten und verworrene Kompetenzen müssen gelöst werden. Das nehmen sich Regierungen seit Jahrzehnten vor, der große Wurf scheitert dann aber doch immer an den gut gesicherten Interessen der Bundesländer.

Digital und dezentral

Ebenfalls oft gefordert – und im abgelaufenen türkis-blauen Regierungsprogramm verankert – wurde die Umsetzung einer Dezentralisierung. Soll heißen: Die Verwaltung des Bundes soll nicht nur in Wien stattfinden. Ein erster (kleiner) Schritt wurde hier mit der eingeleiteten Übersiedlung des Umweltbundesamts von Wien nach Klosterneuburg gemacht. Das neue Quartier des Amtes liegt allerdings nur wenige Kilometer nördlich der Bundeshauptstadt. Potenzial besteht auch in der Digitalisierung. Verwaltungsarbeit muss nicht immer in einem gemeinsamen Büro passieren, Staatsdiener können auch von zu Hause aus oder am Gemeindeamt ihres Heimatortes arbeiten, wie es in Niederösterreich bereits passiert.

Gestartet wurde unter Türkis-Blau auch die App "Digitales Amt", wo verschiedene Amtswege vom Smartphone aus erledigt werden können – begleitet wurde das Projekt aber von diversen Pannen. Unbestritten ist aber: Der Weg aufs Amt ist oft nicht mehr notwendig, eine umfangreiche Digitalisierung der Verwaltung könnte den Bürgern Geld und Zeit sparen.

Amtsgeheimnis ade

Eine grundlegende Modernisierung von Österreichs Demokratie ist auch im Bereich Transparenz notwendig. Von der Abschaffung des Amtsgeheimnisses wird seit Jahren gesprochen, doch Versuche einer Umsetzung scheitern regelmäßig. Fast alle Parteien (mit Ausnahme der FPÖ) sprechen sich für ein umfangreiches Recht auf Information durch Behörden aus. In der Ö1-Sendung "Klartext" versicherten am Mittwochabend hochrangige Vertreter aller Fraktionen, dass sie ein dementsprechendes Gesetz schaffen wollen.

Das Prinzip dahinter, wie es in den meisten modernen Staaten umgesetzt wurde: Bürger sollen über die Vorgänge im Staat informiert sein, die Amtsverschwiegenheit die Ausnahme bleiben. Ein unabhängiger Beauftragter für Informationsfreiheit würde, wie etwa in Slowenien, dieses Recht auf Information auch bei Behörden durchsetzen.

An Transparenz fehlt es auch nach wie vor bei der Parteienfinanzierung. Spätestens seit Ibiza-Gate rücken die Geldgeschäfte der Parteien in den Fokus des Interesses. Doch der Rechnungshof darf nur prüfen, was ihm von den Parteien vorgeschlagene Wirtschaftsprüfer unterbreiten – ein Einsichtsrecht in die Parteikonten fehlt den Prüfern. Die Regeln für offizielle Parteispenden wurden zuletzt zwar verschärft. Besonders bei parteinahen Vereinen herrscht aber oft noch Unklarheit, welche Tätigkeit nun für den Verein geschieht – und welche für die Partei. (Sebastian Fellner, 31.10.2019)