Eine sehr liebe Kollegin verabschiedete sich unlängst mit dem Satz: "Ich muss jetzt zur Mundhygiene." Und so gut wie von jedem Schreibtisch wehten ihr Sätze wie "Viel Glück!", "Alles Gute!" oder "Du Arme!" entgegen. Es sei ja eh nur die Mundhygiene, beruhigte sie die Runde, sie mache das nicht gerne, aber was sein muss, muss eben sein.
Und weil man mit den Bürokollegen und -kolleginnen im Endeffekt mehr Zeit als mit seinen Freunden und der Familie verbringt, kam logischerweise am Tag darauf die Frage: "Und, alles gutgegangen?"
"Nein, ganz und gar nicht." Und dann kam die große Wutwelle gegen die Mundhygienikerin und gegen das System, das den Patienten das Geld aus der Tasche zieht. Denn Mundhygiene zweimal im Jahr ist eine Leistung, die erstens ohnehin privat zu bezahlen ist – 120 Euro pro Termin. "Ich bin eh bereit das zu zahlen", sagte die Kollegin, doch was sie in Rage brachte, waren die vielen Zusatzleistungen, die ihr die Mundhygienikerin andrehen wollte.
Shopping in der Ordination
Ihre elektrische Zahnbürste war zu schlecht, hatte sie vor einem Jahr gehört. Sie müsse sich eine bessere kaufen, wenn ihr ihre Zähne etwas wert sind. Dazu Spezialbürstchen, Spezialzahnseide, eine Spezialzahnpasta und Mundspülungen, die es nicht im Drogeriemarkt, sondern nur hier in der Zahnarztpraxis gibt. Und zudem würde man ihr auch zusätzlich eine Laserbehandlung empfehlen, weil sie einfach nicht gut genug geputzt hat – und vielleicht auch noch ein chemisches Bleaching, weil "weißere Zähne wirklich einen besseren Eindruck machen".
Als Patientin, die jeden Tag gewissenhaft putzt, platzte ihr bei diesen Belehrungen der Kragen. Warum dürfen Mundhygienikerinnen überhaupt Dinge verkaufen? Ist das eine Einnahmequelle? Haben Zahnärzte solche Zusatzeinkommen wirklich nötig? Meine Kollegin jedenfalls will die Praxis wechseln. Und fragte mich: Gibt es irgendwo seriöse Ordinationen? (Karin Pollack, 10.11.2019)