Ein älterer Herr, schütteres Haar, runder Bauch, kniet auf einer Turnmatte, als ein Bub mit vollem Schwung auf seinen Rücken hüpft. Der Alte wirbelt den Jungen rings um seinen Oberkörper, beide lachen. Oder: Derselbe Mann liegt am Rücken auf dem Boden, ein Kind hüpft im Reitersitz auf ihm herum, auf und ab, auf und ab, bis der Mann es durch die Luft wirft und von sich herunterrollt. Vermutlich kennen die beiden einander erst seit Minuten.

Ist es Spiel oder Ernst, was hier passiert? Der Mann in den beschriebenen Videos ist Fred Donaldson. Er hat den Verein Original Play gegründet, über den eine heftige, emotionalisierte Diskussion entbrannt ist, seit in Deutschland Verdachtsfälle des Kindesmissbrauchs bekannt geworden sind. Der Verein ist international aktiv, mittlerweile haben in Österreich einige Landesregierungen die Zusammenarbeit mit ihm verboten, die Volksanwaltschaft leitete Ermittlungen ein.

Der Verein Original Play wehrt sich gegen einen Generalverdacht.
Foto: APA/dpa/Julian Stratenschulte

Nun werden nicht nur von Vereinsmitgliedern, sondern auch von Außenstehenden den Behörden und den berichtenden Medien Generalverdacht und Diffamierung vorgeworfen – gegenüber dem Verein, gegenüber seinen Mitgliedern und gegenüber Männern, die mit Kindern spielen. Und damit werden Täter- und Opferrollen durcheinandergebracht.

Es mag falsch sein, dass wegen einzelner Fälle im Nachbarland nun ein ganzer Verein verunglimpft wird, bei dem der Großteil der Mitglieder Gutes im Sinn hat – nämlich Gewaltprävention, Nähe und ein konfliktfreies Miteinander zu stärken. Es mag falsch sein, in jedem harmlosen, entfesselten, gewaltfreien Spiel einen Missbrauchsversuch zu sehen, und es ist garantiert falsch, wenn Mitglieder von Original Play Morddrohungen bekommen.

Rahmenbedingungen schaffen

Es ist aber sehr wohl angebracht, dass Behörden und Medien genau hinsehen, wenn ein privater Verein Rahmenbedingungen schafft, die für Menschen mit pädophiler Neigung Trigger oder Einladung sein können und Erwachsenen, denen es an Nähe fehlt, die Möglichkeit geben, dieses Bedürfnis auf dem Rücken von Kindern zu befriedigen.

Und es ist die Pflicht aller involvierten Institutionen, genau hinzusehen und Fragen zu stellen, wenn diese Rahmenbedingungen vielleicht Missbrauch ermöglicht haben – die Ermittlungen in Deutschland wurden eingestellt, wegen Verfahrensfehlern könnten sie wiederaufgenommen werden.

Nun bewegen sich auch Kindergartenpädagogen, Schulärzte, Physiotherapeuten und Skilehrer in der Nähe von Kindern, oft allein und ohne Eltern in der Nähe, könnte man argumentieren. Wer solle sich denn dann noch trauen, diese Jobs zu machen, könnte man fragen.

Die Antwort ist simpel: jeder und jede, der oder die sich nicht davon abschrecken lässt, eine ordentliche Ausbildung zu machen, die immer wieder überprüft wird und auf die mit offenen Augen geachtet wird. Denn bei den einen geht es um Professionen, während die anderen Mitglieder eines privaten Vereins sind, in dessen Mitte ein gurugleicher selbsternannter Experte seine eigenen Methoden der Ausbildung entwickelt hat – abgeleitet von Wolfsrudeln und durchgeführt auf Seminaren in Warschau.

Solange dieser und andere Vereine ihre Rahmenbedingungen nicht so setzen, dass Missbrauch so gut wie nur möglich ausgeschlossen werden kann – und zwar von Anfang an, nicht erst im Anlassfall -, ist Kritik gerechtfertigt und Kontrolle ein Muss. (Gabriele Scherndl, 30.10.2019)