Der ehemalige Staatschef hält das saudisch geprägte Dialogzentrum in Wien für eine Bereicherung.

Foto: Standard/Fischer

Den stets bedächtig abwägenden Heinz Fischer würde man nicht unbedingt mit hasserfüllter Sprache in Verbindung bringen. Es sei denn, er wird eingeladen, eine Rede über deren Gefahren zu halten. Am Mittwoch kam der Altbundespräsident einer solchen Bitte nach und trug seine Gedanken bei der Eröffnung einer Konferenz zu Hate-Speech vor. Dass er überhaupt auftrat, hatte im Vorfeld für heftige Kritik gesorgt, denn initiiert wird der Dialog ausgerechnet von Saudi-Arabien – wahrlich keinem Musterland für friedlichen Austausch.

STANDARD: Sie haben gerade eine Tagung über Hate-Speech eröffnet, die vom Abdullah-Zentrum für interreligiösen Dialog veranstaltet wird. Dessen Hauptfinancier Saudi-Arabien foltert Menschen im eigenen Land, zettelt Kriege an und hält wenig von Menschenrechten. Wie passt das zusammen?

Fischer: Ich halte das Thema der Tagung für außerordentlich wichtig und begrüße, dass hohe Vertreter von Religionen aus aller Welt daran teilnehmen, um sich über die Gefahren von Hate-Speech auszutauschen. Man kann nicht immer den Dialog fordern und dann plötzlich kneifen, wenn eine ernsthafte Diskussion angeboten wird. Österreich hat sich in der Vergangenheit immer als Brückenbauer verstanden – dann sollte man bestehende Brücken auch nutzen, sonst blamiert man sich.

STANDARD: Sehen Sie nicht ein Problem darin, dass Saudi-Arabien derartige Dialoge nur als Feigenblatt benützen könnte, um das Image aufzupolieren, ohne im eigenen Land etwas ändern zu wollen?

Fischer: Die Kritik daran, dass Saudi-Arabien viel Geld in das Zentrum investiert, erscheint mir verkürzt. Würden andere Länder einen höheren Beitrag für das wichtige Anliegen eines interreligiösen Dialogs leisten, würde nicht Saudi-Arabien den Gutteil der Finanzierung übernehmen.

STANDARD: Sie haben sich in Ihrer Rede gegen die Todesstrafe ausgesprochen, was man als indirekte Kritik am saudischen Regime interpretieren kann. Wieso sind Sie nicht direkt auf die dortige Menschenrechtslage eingegangen?

Fischer: Ich bin ja nicht das erste Mal im Kaiciid zu Gast und muss daher bei meinen Standpunkten nicht jedes Mal bei Adam und Eva beginnen. Ich habe jedenfalls sehr deutlich hervorgehoben, dass die Menschenrechte die Grundlage eines zivilisierten Zusammenlebens bilden. Zudem habe ich betont, wie wichtig Geschlechtergerechtigkeit und der Respekt vor Frauen ist. In den 15 Minuten, die mir für die Rede zur Verfügung standen, habe ich versucht, mich möglichst ausführlich dem Problem von gewaltvoller Sprache in unserer digitalen Medienwelt zu widmen, denn das ist das Thema der Konferenz.

Fischer kritisiert den Entschließungsantrag des Nationalrats, laut dem das Abdullah-Zentrum zugesperrt werden soll.
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STANDARD: Der Nationalrat hat knapp vor den Wahlen mit einer großen Mehrheit einen Entschließungsantrag der Liste Jetzt unterstützt, der eine Schließung des Abdullah-Zentrums in Wien fordert. Wie sehen Sie das?

Fischer: Ein Entschließungsantrag ist eine Meinungsbekundung des Nationalrats, hat aber keine rechtlich bindende Wirkung. Außerdem ist er in der vergangenen Legislaturperiode erfolgt und würde in der jetzigen Periode vermutlich nicht noch einmal mit dem gleichen Wortlaut beschlossen werden.

STANDARD: Wieso nicht?

Fischer: Der Antrag beruhte offenbar nicht auf sorgfältiger Vorbereitung. Nach meinen Informationen wurde nicht einmal der Kontakt zum Außenministerium gesucht, um die Expertise des Hauses einzuholen. Auf dem Antrag selbst finden sich hastig eingefügte handschriftliche Änderungen und Durchstreichungen. Das ist anscheinend so schnell formuliert worden, dass nicht einmal Zeit für eine Reinschrift war.

STANDARD: Auch Ihre Partei, die SPÖ, hat sich für die Schließung des Zentrums ausgesprochen. Wurden Sie um Rat gefragt?

Fischer: Dazu wäre gar keine Zeit gewesen, aber nachher habe ich meine Auffassung, dass ich eine Schließung für keine gute Idee halte, klar artikuliert. Österreich und die Stadt Wien haben sich ja vor zehn Jahren darum beworben, dieses Zentrum nach Wien zu holen. Damit war man erfolgreich, und es liegt im Interesse der Republik und der Bundeshauptstadt, dass es hier ein funktionierendes internationales Dialogzentrum gibt, das zur Verständigung der Religionen und Kulturen einen angesehenen Beitrag leistet.

STANDARD: Die Nahostexpertin und Kollegin Gudrun Harrer hat Österreichs Sinneswandel in Bezug auf das Abdullah-Zentrum als "Lachnummer" bezeichnet. Sehen Sie das auch so?

Fischer: Ich sage es so: Zur Verbesserung unseres internationalen Rufs trägt es nicht bei. Auf außenpolitischem Terrain ist Verlässlichkeit ein großer Wert. Österreich wäre diplomatisch inkonsistent, würde es jetzt plötzlich einen Rückzieher machen, obwohl sich an den Rahmenbedingungen in der Zwischenzeit nichts geändert hat.

STANDARD: Der Generalsekretär des Zentrums hat Sie in seiner Rede als "Helden des Dialogs" bezeichnet. Wissen Sie eigentlich, ob auch der amtierende Bundespräsident um eine Eröffnungsrede gebeten wurde oder ob Sie der Wunschredner waren?

Fischer: Nein, darüber habe ich mit Alexander Van der Bellen nicht gesprochen. (Theo Anders, 30.10. 2019)