Vier Mal trafen die beiden Klubs in der zweiten Liga aufeinander, am Samstag wollen die Blau-Weißen von Hertha die Eisernen im Oberhaus jagen – und umgekehrt.

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Die Maskottchen Ritter Keule (Union, links) und Herthino (Hertha) sind jedenfalls bereit.

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"Tickets? Kannste haben. Aber musste halt viel zahlen." Das bekommen jene Wagemutigen zu hören, die irgendwie noch dabei sein wollen, wenn am Samstag in Berlin Fußballgeschichte geschrieben wird.

Zum ersten Mal laufen in der Bundesliga Ost und West gegeneinander auf. Auf der einen Seite: der Ostberliner Kultklub Union Berlin, der Ende Mai erstmals ins Oberhaus aufgestiegen ist. Auf der anderen Seite: Hertha BSC, der Westverein, der insgesamt schon 35 Jahre oben spielt.

In Hamburg, München, Frankfurt und erst recht im Ruhrgebiet kennt man lokale Derbys zur Genüge, aber in der Hauptstadt musste die Fußballwelt Jahrzehnte darauf warten, obwohl die Heimstätten der beiden nur 30 Kilometer auseinander liegen.

"Suche noch ein Ticket für unsere Eisernen gegen die Tante ausm Westen", schreibt jemand auf Ebay. Vielleicht kommt er mit denen ins Geschäft, die ein bis zwei VIP-Tickets für 1.000 Euro bieten. Von den beiden Vereinen selbst gibbet nüscht mehr, wie der Berliner sagt.

Denn man trifft sich im "Wohnzimmer" von Union, dem Stadion an der Alten Försterei. Dort finden nur 22.000 Zuseher Platz, 18.000 davon auf Stehplätzen, was die Fans der Rot-Weißen aber so lieben. Es ist ein bisschen wie beim Hamburger Verein St. Pauli. Im Herzen sind die Unioner Underdogs, eher Köpenick als Oberhaus. Der Fußball soll im Mittelpunkt stehen, nicht der Kommerz. Bratwurst und Bier sind nach dem Aufstieg nicht teurer geworden.

"Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen? Eisern Union, Eisern Union", heißt es in der Hymne, gesungen von Nina Hagen. Und das Geld war lange Zeit ohnehin knapp. Als das Stadion 2008 und 2009 saniert wurde, packten 2.000 Fans in 140.000 Arbeitsstunden selbst mit an, was den Nimbus noch vergrößerte.

Der Anti-Stasi-Klub

Seinen Status hat sich der Klub, der auf dem SC Union Oberschöneweide basiert, schon zu DDR-Zeiten erarbeitet. Der Arbeiterverein galt als Anti-Stasi-Klub, als Gegenpol zum anderen Ostklub FC Dynamo, der vom ehemaligen Stasi-Chef Erich Mielke gehätschelt wurde.

Apropos DDR. Hertha hätte eigentlich erst am kommenden Samstag, also am 9. November, gegen Union spielen wollen. Das ist genau der 30. Jahrestag des Mauerfalls, und bei Union wies man den Vorstoß etwas verschnupft zurück: "Uns ist der Gedenktag zum Mauerfall zu wichtig, wir wollen an diesem historischen Tag nicht Fußball spielen."

Jetzt kommen die blau-weißen Herthaner also schon eine Woche früher in den Osten. Auch wenn Berlin innerstädtisch seit 30 Jahren keine Grenzen mehr kennt – im Fußball gibt es sie noch. Die "Morgenpost" zeigt auf einer interaktiven Karte, wo die Fans wohnen: Der Osten ist fest in Union-Hand, im Westen dominiert Hertha. Die Fans sind auch nicht unbedingt von gesamtberlinerischer Freundschaft durchdrungen, das Polizeiaufgebot wird massiv.

Dass rund um das Mauerfalljubiläum Verbrüderungen stattfinden werden, wie beim ersten Freundschaftsspiel nach der Wende im Jahr 1990, ist nicht zu erwarten. Jede Seite will unbedingt gewinnen, nötiger für den Klassenerhalt hätten es die Unioner mit ihrem österreichischen Kapitän Christopher Trimmel. Sie liegen in der Bundesliga auf Platz 15, Hertha auf Platz elf.

Klassenkampf

"Für mich ist das ein Derby, das steht für Rivalität, für Abgrenzung. Und für Fußball-Klassenkampf in der Stadt", sagte Unions Präsident Dirk Zingler in einem Interview mit der "Berliner Zeitung". Und: "Diesem Spiel eine Art Freundschaftsspielcharakter zu geben, nach dem Motto 'Wir spielen jetzt hier einen auf deutsche Einheit', das finde ich absurd."

Der bisherige Spielstand ist ausgeglichen. Viermal trafen Union und Hertha zwischen 2010 und 2013 in der Zweiten Liga aufeinander. Es endete zweimal unentschieden, mit einem Sieg für Hertha und einem für die Eisernen. Doch auch die Herthaner sind angriffslustig. "Wir haben mehr Qualität im Team, haben mehr in neue Spieler investiert, spielen länger in der Bundesliga und haben mehr Erfahrung. Alles spricht für uns. Es liegt nur an uns. Wenn wir das nicht schaffen, ist das unser Fehler. Dann sind wir nicht gut genug", sagt Mittelfeldspieler Marko Grujic in der "Bild". Was der Serbe in seinem Ranking vergessen hat aufzuzählen: Hertha, gegründet 1892, erreicht zwar nicht die finanzielle Potenz anderer Bundesliga-Klubs. Aber im Verhältnis zu Union ist sie die reiche Westverwandtschaft.

Der Ostklub wird seit dem Aufstieg von der Gewerbeimmobilienfirma Aroundtown gesponsert, was bei vielen Fans für Unmut sorgte. Doch bei Hertha hat sich der Investor Lars Lindhorst mit 225 Millionen Euro eingekauft, und er ist bereit, auch noch mehr zu geben, wenn Hertha erst einmal ein internationaler Topklub ist und auch regelmäßig in der Champions League spielt.

Aber so weit ist es ja noch nicht. Nach dem Spiel am Samstag kommt Union dann erst in der Rückrunde im März noch zu Hertha ins Olympiastadion. Dieses Spiel werden ein paar mehr Fans live sehen können: Es gibt dort 74.600 Plätze. (Birgit Baumann aus Berlin, 31.10.2019)