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Priester wurden in der Science Fiction schon oft in den Weltraum geschickt, sei es Vater Ramon Ruiz-Sanchez in James Blishs "Der Gewissensfall", die Jesuiten-Expedition in Mary Doria Russells "Sperling" oder auch Pater Vito Cornelius in "Das Fünfte Element". Nonnen findet man in Space Operas schon deutlich seltener. (Zählen die Bene Gesserit?) US-Autorin Lina Rather, die bislang nur Kurzgeschichten geschrieben hat, ehe ihre jüngste unversehens auf Novellenlänge angewachsen ist, schickt nun in "Sisters of the Vast Black" gleich einen ganzen Konvent auf interstellare Mission.

Schwesternschaft mit Mission

Ein knappes Dutzend Schwestern befinden sich an Bord der "Our Lady of Impossible Constellations", einem lebenden Raumschiff, gezüchtet aus einer photosynthesefähigen Meeresschnecke. Dass die Schwestern durchs All reisen, um den Bewohnern abgelegener Kolonien die Sakramente zu spenden, klingt aufs erste Hinhören vielleicht nach einer entbehrlichen Dienstleistung. Doch bei näherer Betrachtung leisten die Schwestern so ihren Beitrag dafür, die über zahllose Himmelskörper verstreute Menschheit zusammenzuhalten: "We're all just scattered, lonely specks out here, unless we try to be more." So taufen sie Kinder, schließen Ehen und salben die Kranken – Letzteres ein Sakrament, das besonders oft gespendet werden muss, da sich immer wieder grässliche Seuchen in den Kolonien ausbreiten.

Doch der fliegende Konvent spricht nicht nur tröstende Worte, eine der Schwestern forscht auch nach Heilmitteln: Gemma, eigentlich Biologin, ist eine von vier Schwestern, die uns Rather etwas näher vorstellt. Wie auch die weitgehend areligiöse Bordmechanikerin Faustina und deren komplettes Gegenteil, die devote Schwester Lucia. Sie verfasst digitale Hagiographien über jene Frau, die der Menschheit einst den Weg in den Weltraum öffnete, und erwärmt sich an der Vorstellung, dass Satelliten ihre Frohbotschaften bis ans Ende aller Zeiten im Universum verbreiten werden. Und zu guter Letzt ist da noch die namenlos bleibende Äbtissin, die schon vor langer Zeit ein Schweigegelübde abgelegt hat – aus einem sehr gewichtigen Grund, wie wir noch sehen werden. Wherever there were people, there were secrets.

Nun Trek

Trotz persönlicher Geheimnisse und gelegentlicher Meinungsunterschiede ist der Zusammenhalt zwischen den Ordensschwestern unerschütterlich. Rather präsentiert uns hier Protagonistinnen, die so höflich, pflichtbewusst und kooperativ sind wie die Crew eines Sternenflottenschiffs aus der "Next Generation" – was mal eine angenehme Abwechslung zum konfliktären Standardmodell vieler anderer Space Operas ist.

Was "Nun Trek" mit "Star Trek" außerdem gemein hat, ist eine Technologie, die erstaunliche Möglichkeiten bietet. Die Schwerkraft an Bord lässt sich ein- und ausschalten wie eine Glühbirne, und irgendeine – nur äußerst vage angedeutete – Möglichkeit für Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit scheint es auch zu geben: alles Dinge, wie sie für TV-Weltraumopern typisch wären. Dass die feierlichen Schlussworte von "Sisters of the Vast Black" Rathers poetische Ader ebenso belegen wie ihre astronomische Ahnungslosigkeit, rundet das Bild ab. Dies ist eindeutig keine Hard SF, aber dennoch eine lesenswerte Erzählung, die aufs Menschliche fokussiert.

Die Macht im Zentrum

In einem Punkt weicht Rathers fiktives Universum allerdings sehr stark vom Geist von "Star Trek" ab: Von einer wohlwollenden Sternenföderation ist hier keine Spur. 40 Jahre vor der Handlungszeit hat sich die Menschheit in einem großen Krieg selbst zerfleischt, nachdem die Erde ihre Kolonien mit brutalsten Mitteln unter Kontrolle bringen wollte. Das ist letztlich missglückt, und die übervölkerte Heimatwelt der Menschheit trägt heute noch die radioaktiven Narben des Vergeltungsschlags. Und doch schickt sich die Zentralregierung schon wieder an, ihre Macht auszuspielen – diesmal auf heimtückischen Umwegen.

Die Schwesternschaft der "Our Lady of Impossible Constellations" steht damit vor der Frage, ob sie sich auf die Linie von Zentralregierung und Vatikan bringen lassen oder eigene Wege gehen soll. Im letzten Drittel überstürzen sich die Ereignisse geradezu, und doch könnte noch mehr kommen: Zumindest für mich hinterlässt der Schluss den Eindruck, als wäre die gesamte Erzählung nur der Prolog einer sehr viel größeren.