"Der erste Dieb, den ich erwischt habe, war ein junger Rechtsanwalt mit Maßanzug und Kalbsleder-Aktentasche, der in einer Drogerie im ersten Bezirk in Wien eine Zahnbürste gestohlen hat. Ich scherze immer: Die einen, die etwas Spannendes erleben wollen, fangen an zu klauen. Die anderen werden Detektiv. In diesem Beruf hat man immer Action, es ist immer was los.

Der Nachteil daran ist natürlich, dass die private Planung hintansteht. Wenn ein Kunde ein dringendes Problem hat, will er nicht drei Wochen warten, sondern es innerhalb der nächsten drei Tage gelöst haben. Als Unternehmer kann ich einen großen Auftrag nicht einfach sausen lassen, weil ich das Wochenende in der Hängematte verbringen will.

Meine häufigsten Fälle sind Betrugsfälle in Unternehmen. Ab 20 Mitarbeitern können Sie davon ausgehen, dass einer dabei ist, der in irgendeiner Form betrügt. Das kann sein, dass jemand monatelang in Krankenstand geht, weil er keine Lust mehr hat zu arbeiten oder aber sich finanziell bereichert. Ein klassisches Beispiel wäre der Barkeeper, der bei einem teureren Getränk, etwa Wodka-Red-Bull, keinen oder viel weniger Umsatz macht als seine Kollegen. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass er eine Palette Red Bull aus dem Supermarkt und zwei Flaschen billigen Wodka in die Bar mitnimmt und auf eigene Rechnung ausschenkt.

Nach Lücken suchen

Es gibt natürlich auch schwerere Fälle. Einmal kam ein Kinobetreiber zu mir, der festgestellt hat, dass im Kino fünfmal mehr Gutscheine eingelöst als verkauft werden. Überführt haben wir dann einen Kassier, der bereits eingelöste Gutscheine nochmals verbucht und sich das Geld eingesteckt hat. Er hat mit 20 bis 30 Euro pro Monat angefangen, und als er gesehen hat, dass es funktioniert, wurde er gierig. Zum Schluss, nach fünf Jahren, waren es 7000 Euro, die er jeden Monat mitgehen lassen hat.

Detektiv Markus Schwaiger bei der Observation. Wobei er betont, dass die Situation für das Foto nachgestellt worden ist. "Ich würde das in der Realität deutlich unauffälliger machen."
Foto: Andreas Vock / MSI

Meine Vorgehensweise ist, mir die Abläufe genau anzuschauen und nach Lücken zu suchen. Die meisten Betrüger in Unternehmen sind nämlich langjährige Mitarbeiter, die diese Lücken kennen und sie ausnützen. Die Leute sind immer ganz erstaunt, wenn man ihnen auf die Schliche kommt.

Ungefähr ein Drittel meiner Kunden sind Privatkunden, etwa Eheleute, die sich um Geld oder Kinder streiten und dem anderen Untreue nachweisen wollen. Da ist es zunächst wichtig festzustellen, welchen zeitlichen Spielraum der Partner überhaupt hat. Wo könnte er oder sie neben einem Bürojob die Geliebte, den Geliebten unterbringen? Die Strategie ist: zeitlich eingrenzen und dann observieren. Oft werden die Fremdgeher nach einer Zeit ohnehin unvorsichtig, und dann hat man sie relativ schnell.

Keine ehrlichen Leute mehr?

Ein Kollege hatte einen grauslichen Fall von Versicherungsbetrug: Eine Reinigungskraft hat sich bei der Arbeit mit einer Reinigungsflüssigkeit die Unterarme verätzt. Die Wunden sind monatelang nicht und nicht verheilt. Schlussendlich ging sie in Frühpension. Als die Versicherung nachforschen ließ, kam heraus: Die Frau ist zurück in ihre Heimat nach Kroatien, hat sich dort ein nettes Häuschen gebaut und ein gemütliches Leben gemacht. Einmal alle drei Monate, vor dem Besuch beim Amtsarzt hat sie sich die Unterarme wieder verätzt. Manchmal denke ich mir bei meiner Arbeit schon: Jössas, gibt es überhaupt keine ehrlichen Leute mehr?

Mietbetrug ist ebenso ein Thema. Gerade in Wien gibt es viele günstige Wohnungen, die leerstehen oder untervermietet werden, obwohl das verboten ist. Sie sind meist für die Enkerln bestimmt. Einmal hatte ich einen lustigen Fall: Eine Wohnung ist seit Jahren leergestanden, der Mieter hat monatlich 200 Euro Miete und Betriebskosten bezahlt, aber in einem Häuschen im Burgenland gelebt. Ich habe ihn gefragt, warum er die Wohnung nicht zurückgibt. Er meinte, er wolle sein Wiener Kennzeichen behalten.

Aufgefordert abzudrücken

Alle zehn Jahre hat man einen Ausnahmefall. Mein letzter war, als eine Frau ihren Ehemann, einen Ex-Bankvorstand, im Rausch erschossen hat. Er, ein Waffennarr, drückte ihr nach dem Heurigenbesuch seinen Revolver in die Hand und forderte sie auf abzudrücken. Er sagte: ‚Du brauchst keine Angst haben, sie ist nicht geladen.‘ Irgendwann hat sie tatsächlich den Abzug gedrückt – und er war tot. Beauftragt hat mich dann die Familie der angeblichen Täterin. Sie konnten nicht glauben, dass es Mord war.

Im Endeffekt wurde die Frau tatsächlich von der Mordanklage freigesprochen und ‚nur‘ wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Weil wir nachweisen konnten, dass ihr Mann alles geplant hatte. Er hatte Pensionsdepressionen, wollte Selbstmord begehen, hat sich aber nicht getraut. Mittels Computerforensik sind wir auf Suizidforen gestoßen. Außerdem hat der Mann gegen seine Ehefrau einen solchen Hass entwickelt, dass er ihr etwas auswischen wollte. Wäre sie nämlich wegen Mordes verurteilt worden, hätte sie nichts von seinem Vermögen geerbt.

Ins Handy des Mannes hacken

Um Berufsdetektiv zu werden, macht man eine Ausbildung an der Detektivakademie und fängt dann als Assistent an. Nach ein paar Jahren im Beruf kann man eine Prüfung ablegen und sich selbstständig machen. Wir Detektive brauchen kriminaltaktisches Know-how und technisches Wissen, von Video bis IT-Security. Wir müssen uns auch rechtlich auskennen und wissen, welche Methoden wir anwenden dürfen und welche nicht. Geht es um grobe, strafrechtliche Delikte wie Erpressung können wir viel tun. Bei zivilrechtlichen Fällen weniger. Eine Kundin wollte etwa, dass ich mich ins Handy ihres Mannes hacke, um zu sehen, ob er sie betrügt. Würde ich das tun, stünde ich selbst mit einem Fuß im Gefängnis." (Protokoll: Lisa Breit, 4.10.2019)