Die WHO stuft Antibiotikaresistenzen als eine der größten zukünftigen Risiken ein.

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Eine der größten Gesundheitsgefahren weltweit sind Antibiotika-resistente Krankheitserreger. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor dem bevorstehenden Beginn einer postantibiotischen Ära, in der eigentlich harmlose Infektionen nicht mehr behandelbar werden und erneut zu den häufigsten nicht-natürlichen Todesursachen werden könnten. Die jahrzehntelange Nutzung verschiedener Antibiotika als Standardtherapie hat das Spektrum wirksamer antibakterieller Medikamente stark reduziert. Gleichzeitig ziehen sich Pharmakonzerne aus der Entwicklung neuer Medikamente zunehmend zurück.

Das größte Problem ist die schnelle Evolution von Antibiotika-Resistenzen, die antibakterielle Medikamente innerhalb kurzer Zeit wirkungslos werden lassen. Forscher verfolgen daher seit einigen Jahren das Ziel, die Wirksamkeit der noch bestehenden Wirkstoffe zu erhalten oder sogar zu verbessern.

An der Christian-Albrechts-Universität in Kiel (CAU) wird an evolutionsbasierten Strategien geforscht, um durch die Kombination von Wirkstoffen bakterielle Krankheitserreger besser zu bekämpfen und gleichzeitig die Resistenzbildung zu hemmen. Ein vielversprechendes Prinzip ist die sogenannte kollaterale Sensitivität. Darunter versteht die Wissenschaft das Auftreten von vorteilhaften, evolutionären "Kosten" für die Entwicklung einer Antibiotikaresistenz, die immer dann entstehen, wenn die Evolution der Resistenz gegen einen Wirkstoff den Krankheitserreger gleichzeitig hochempfindlich gegen ein zweites Medikament werden lässt.

Weit verbreiteter Nasskeim

Am Beispiel des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa haben die CAU-Forscher dieses Prinzip nun anhand von Evolutionsexperimenten im Labor hinsichtlich seiner Stabilität untersucht. Das Bakterium ist ein weit verbreiteter Boden- und Wasserkeim, der in feuchten Milieus vorkommt – also in feuchten Böden und Oberflächengewässern, aber auch im Leitungswasser, in Waschbecken, Duschen, Schwimmbecken, Toiletten oder Spülmaschinen. Er gilt als einer der häufigsten Krankenhauskeime, der gegen mehrere Antibiotika resistent ist.

In einer aktuellen Studie konnten die Wissenschafter zeigen, dass die wirksame Bekämpfung des Krankheitskeims bei gleichzeitiger Hemmung der Resistenzbildung vor allem von der Reihenfolge der Wirkstoffgabe und ihrer jeweiligen Wirkungsweise abhängen. Bereits vor zwei Jahren hatte die CAU-Arbeitsgruppe erstmals systematisch die Auswirkungen verschiedener Formen der kombinierten Antibiotika-Gabe auf die evolutionäre Anpassung von Pseudomonas aeruginosa untersucht. Die Forscher konnten dabei das Prinzip der kollateralen Sensitivität erstmals für diesen Keim beschreiben.

Antibiotika richtig kombinieren

"Auf Basis dieser Vorarbeiten wollten wir nun herausfinden, ob sich dieses vielversprechende Prinzip auch unter wechselnden Bedingungen bestätigen lässt und ob die Sensitivität des Keimes infolge der kombinierten Medikamentengabe dauerhaft stabil bleibt", sagt Studienleiter Hinrich Schulenburg. In der nun veröffentlichten Studie konnten die Wissenschafter in umfangreichen Laborexperimenten zeigen, dass es von mehreren Faktoren abhängt, ob die kollaterale Sensitivität zu therapeutischen Zwecken genutzt werden kann: Insbesondere die Abfolge und Kombination der eingesetzten Antibiotika, aber auch die evolutionären Kosten für das Bakterium und die an der Resistenzbildung beteiligten genetischen Mechanismen entscheiden über die dauerhafte Wirksamkeit.

"Die Anpassungsfähigkeit des Krankheitskeims war insbesondere dann stark gehemmt, wenn der Medikamentenwechsel von einem sogenannten Aminoglykosid hin zu einem Betalactam, also einem Penicillin-ähnlich Wirkstoff erfolgte," erläutert Camilo Barbosa, Erstautor der Studie. In diesem Fall konnten sich die Keime nicht anpassen und starben durch die kombinierte Wirkstoffgabe eher ab. Bei anderen Wirkstoffkombinationen und -wechseln gelang es den Krankheitserregern hingegen, zum Teil multiple Resistenzen auszubilden. Zusätzlich spielen die evolutionären Kosten der Resistenzevolution eine wichtige Rolle für den Therapieerfolg. Die Forscher wollen nun die evolutionsbasierten Strategien für einen möglichen Einsatz an Patienten weiterentwickeln. (red, 4.11.2019)