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Den Ton angeben im Vier-Länder-Konzern FCA-PSA wird mit Sicherheit der Löwe von Peugeot.

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"Meine Erfahrung kann jedem beliebigen Hersteller zugutekommen", tönte Carlos Tavares schon vor Jahren, als er Renault verließ, weil ihm dort ein gewisser Carlos Ghosn im Weg stand. Seither häuft der "andere" Carlos, der als weniger flamboyant, aber ebenso ehrgeizig gilt, Hersteller im Multipack an. Er ging zu PSA und schuf neben Peugeot und Citroën gleich eine dritte Marke namens DS. Nun übernimmt der gebürtige Portugiese gleich ein Dutzend Automarken: Neben Peugeot, Citroën und DS auch Opel aus Deutschland, Fiat, Alfa Romeo, Lancia und Maserati aus Italien sowie Chrysler, Jeep und Dodge aus den USA – um nur die wichtigsten zu nennen.

Zusammen ergibt das die Weltnummer vier: 400.000 Angestellte schaffen vereint einen Jahresumsatz von 170 Milliarden Euro oder, genauer gesagt, 8,7 Millionen Autos. Mehr Gewicht bringen nur noch VW, Toyota und Renault-Nissan auf die Waage.

Gelingt die Fusion, überflügelt PSA-Chef Carlos Tavares seinen ewigen Rivalen Carlos Ghosn.
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Die Verwaltungsräte haben die neue Elefantenhochzeit in getrennten Sitzungen abgesegnet. Laut Stellungnahme soll sie "in einigen Wochen" abgeschlossen werden. Wegen der vergleichbaren Börsenwerte von PSA (23 Milliarden Euro) und Fiat Chrysler (FCA, 20 Milliarden) ist eine Fusion "unter Gleichen" geplant. Nach einigem Zögern lenkte auch die Peugeot-Familie ein, deren Kapitalanteil von 12,2 auf sechs Prozent sinkt. Damit gibt sie das Steuerrad nach einem Jahrhundert familiärer Autotradition ganz aus der Hand. Auch die Anteile des französischen Staates und des chinesischen Herstellers Dongfeng halbieren sich auf sechs Prozent.

Hobbyrennfahrer am Steuer

Die Agnelli-Familie wahrt über ihre Finanzholding Exor immerhin 14,5 Prozent des Kapitals. Ihr Abgesandter John Elkann, Enkel des einstigen Fiat-Patrons Gianni Agnelli, wird dem Verwaltungsrat vorstehen. Der starke Mann des Konzerns wird jedoch Carlos Tavares. Der 61-jährige Hobbyrennfahrer übernimmt die operative Leitung des noch namenlosen Unternehmens, wobei er sein heutiges Jahressalär von 7,6 Millionen Euro noch etwas aufbessern dürfte. Auch im Verwaltungsrat haben die "Tavares-Boys" die Mehrheit von sechs PSA-Vertretern; Fiat Chrysler kommt nur auf fünf Sitze.

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Nach dem Scheitern der Kooperation mit Renault blieb dem Agnelli-Nachkommen John Elkann für Fiat Chrysler nur die Flucht nach vorne.
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Der neue Konzernboss wird seine Erfolgsrezepte zweifellos ein weiteres Mal anwenden. 2014 rettete er schon Peugeot und Citroën vor dem Ruin; ein Jahr später sanierte er auch Opel mit bedeutend mehr Geschick als dessen früherer Eigner General Motors. Auch jetzt sehen PSA und FCA "keine Fabriksschließungen" vor, obwohl ihr Geschäft alles andere als gut läuft. Ob der Verbund vieler Schwacher einen Starken ergibt, muss sich weisen.

Immerhin verspricht Tavares jährliche Synergieeffekte von 3,7 Milliarden Euro. Das macht Cash für Neuinvestitionen frei. Laut dem Pariser Ökonomen Elie Cohen liegt darin der Sinn der Fusion: "Die Umstellung auf elektrische, hybride und autonome Fahrzeuge erfordert Milliardeneinsätze, die nur ein Konzern mit einer weltweiten Massenproduktion stemmen kann."

Hoffnungsmarkt USA

Der italo-amerikanische Konzern kann dabei von der bereits fortgeschrittenen E-Technologie der Franzosen profitieren. Das dürfte auch der Grund sein, dass die FCA-Aktie am Donnerstag stark zulegte; der PSA-Titel verlor dagegen an Wert. Offenbar sind sich die Investoren nicht sicher, ob es Peugeot und Citroën gelingen wird, dank des Händlernetzes von Jeep und Dodge Fuß im wichtigen US-Markt zu fassen.

Peugeot schwächelt zudem gerade in China – kein gutes Omen für die Pläne der Italiener, über die französischen Vertriebsnetze Zugang zum Reich der Mitte zu erhalten. Nicht von ungefähr hatte Fiat Chrysler im Mai eine Fusion mit der in Asien starken Allianz von Renault und Nissan angestrebt. Dieser Plan scheiterte aber an den hohen Garantieforderungen der französischen Regierung (15 Prozent der Anteile an Renault).

Kritik an der Regierung in Paris

Diesmal trat Wirtschaftsminister Bruno Le Maire kleinlauter auf. Schon am Mittwoch bezeichnete er sich als "offen" für die "sehr schöne" Fusion von FCA und PSA. Das wirft die Frage auf, warum Le Maire und Staatspräsident Emmanuel Macron die – eigentlich sinnvollere – Fusion mit Renault so lange hintertrieben hatten, bis Fiat Chrysler entnervt das Handtuch warf. Auch in Paris wächst die Kritik am französischen Staatsaktionär, der wahlpolitische über unternehmensstrategische Überlegungen stellt und damit selber Arbeitsplätze gefährdet, die er zu schützen vorgibt.

Die Fusion von FCA mit Renault-Nissan hatte Paris noch hintertrieben. Bei Peugeot ist Frankreichs Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire zurückhaltender.
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Überlegter scheint Le Maires Eintreten für die Bildung einer europäischen Batterietechnologie analog zum Airbus-Konzept. Frankreich und Deutschland wollen gemeinsam die politischen Rahmenbedingungen für eine "europäische E-Speicherung" schaffen. Der neue Autokonzern aus FCA und PSA kann der Realisierung dieser Pläne nur förderlich sein.

Welche Folgen die Großfusion für Opel haben könnte, wollten PSA-Sprecher bisher nicht angeben. Das gilt namentlich für die Zukunft des Entwicklungszentrums in Rüsselsheim. Die Gewerkschaft IG Metall ließ verlauten, sie wolle sich für die "Eigenständigkeit und Identität" der deutschen Marke einsetzen. (Stefan Brändle, 31.10.2019)