Armut abschaffen, fordert die Künstlerin und Kulturwissenschafterin Hannahlisa Kunyik im Gastkommentar.

Ab 1. November darf in Lokalen nicht mehr geraucht werden.
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Noch ein paar Stunden im Café und Wirtshaus pofeln, dann wird diese Ersatzdiskussion in Form des Rauchverbots Gesetz. Wenn wir wirklich über kollektive Gesundheit sprechen wollen würden, dann begännen wir allerdings bei den Themen Armut, Ungleichheit und Prekarität. Armut verkürzt die erwartete Lebenszeit allein innerhalb Wiens um zehn Jahre. Oder, um Martin Schenk von der Armutskonferenz zu zitieren: "Man kann einen Menschen mit einer feuchten Wohnung genauso töten wie mit einer Axt."

Erhöhte Feinstaubbelastung am Gürtel oder schimmelfreie Wohnungen in der Inneren Stadt – die Lebenserwartung variiert auch nach Wohnbezirk um mehrere Jahre. (Frauen werden in der Inneren Stadt durchschnittlich am ältesten: 83,26 Jahre; Männer in Währing: 78,12 Jahre. Sowohl Frauen als auch Männer sterben zuerst in der Brigittenau: mit 80,2 Jahren Frauen und Männer mit 74,2 Jahren.)

Ungleichheit macht krank

Prekarität – am Arbeitsplatz, ohne Arbeitsplatz – macht Stress, der sich enorm negativ auf den menschlichen Organismus und unsere Lebensqualität auswirkt. Dauerhafter Stress verursacht eine erhöhte Infektanfälligkeit, Bluthochdruck, schwindende Muskelmasse, Kopfschmerzen, Depressionen, Hörsturz oder Tinnitus, um nur ein paar Beispiele aus der Stressforschung zu nennen. Auch sexuelle Unlust, Schlafstörungen, ja, ein vergrößerter Bauchumfang zählen zu den Folgen stresshafter Dauerbelastung.

Ungleichheit in Gesellschaften macht nachweislich krank. Das kann etwa an der Geburtenzahl bei Müttern unter 20 Jahren, am Wohlbefinden von Kindern, an der Häufigkeit psychischer Erkrankungen oder an der Lesefähigkeit von Schülerinnen und Schülern gemessen werden.

Lokal kann man aussuchen

Österreich gehört, was Ungleichheit anbelangt, seit Jahren zu den nicht wirklich ruhmreichen europäischen Spitzenreitern: Das reichste Prozent der Haushalte in Österreich besitzt fast ein Viertel des Vermögens, die obersten zehn Prozent haben mehr als die restlichen 90 Prozent der Bevölkerung gemeinsam. Der vielfach gefeierte "Stil" der vergangenen Regierung verfolgte ungeniert eine Verschärfung dieser ungeheuerlichen, aber vor dem gemeinsamen Rauchen doch verblassenden Verhältnisse.

Wohlstand kann man sich – diesem neoliberalen Mythos widerspricht die Sozialforschung seit jeher – im Gegensatz zum Lokal, in das man abends geht oder gegangen sein wird, auf individueller Ebene nicht aussuchen. Politisch lässt sich da einiges anders machen: Armut abschaffen! (Hannahlisa Kunyik, 31.10.2019)