Tarik Mete hält die Inhalte der SPÖ, auch was Integration und Migration betrifft, an sich für richtig, meint aber auch: "Wir dürfen aber Probleme nicht unter den Teppich kehren."

Foto: Christian Fischer

Zweimal sorgte Tarik Mete bei der Nationalratswahl für Aufsehen, obwohl er nur auf dem aussichtslosen 134. Listenplatz der SPÖ gereiht war. Zunächst dadurch, dass er mit sechs Titeln der Kandidat mit den meisten akademischen Abschlüssen auf dem Stimmzettel war. Der Salzburger Lokalpolitiker erzielte bei der Wahl selbst mehr als 15.000 Vorzugsstimmen und landete im bundesweiten Vorzugsstimmenranking auf Platz sieben. In der SPÖ lag überhaupt nur Parteichefin Pamela Rendi-Wagner vor ihm.

STANDARD: Wie erklären Sie sich, dass so viele Menschen Ihnen eine Vorzugsstimme gegeben haben?

Mete: Ich kämpfe in Salzburg seit über zehn Jahren für mehr Chancengerechtigkeit und gegen Diskriminierung, insbesondere auch mit den sozialen Medien. Was mich allerdings wirklich überrascht hat, waren die vielen Vorzugsstimmen in den anderen Bundesländern. Daran merkt man aber, dass man mit Engagement auch über die Grenzen eines Bundeslandes ausstrahlen kann. Angesichts des insgesamt schlechten Abschneidens meiner Partei kann ich mich über das Ergebnis dennoch nicht so richtig freuen.

STANDARD: Sie saßen kurze Zeit im Salzburger Landtag und sind jetzt Gemeinderat. Prestigeträchtige Ämter sind das nicht. Worauf führen Sie überhaupt Ihre Bekanntheit bei den Wählerinnen und Wählern zurück?

Mete: Ich habe lange Zeit daran gearbeitet, für meine politische Arbeit eine Präsenz in den sozialen Medien aufzubauen. Meine Facebook-Seite habe ich acht Jahre lang intensiv bespielt. Da hat es einen langen Atem gebraucht, denn eine große Reichweite hat sich eigentlich erst in den letzten anderthalb Jahren eingestellt. Um Mandate ist es mir nie gegangen.

STANDARD: Die SPÖ hat die Social-Media-Welt jahrelang verschlafen. Von der Reichweite eines Sebastian Kurz und eines Heinz-Christian Strache vor Ibiza ist Pamela Rendi-Wagner meilenweit entfernt. Hat sich die SPÖ-Spitze schon Rat bei Ihnen geholt?

Mete: Einfache Parteimitglieder und Wähler haben nach dem Ergebnis zuhauf gratuliert, sogar politische Konkurrenten haben sich gemeldet. Aber Funktionäre von der Spitze der Bundes-SPÖ haben mich nicht kontaktiert.

STANDARD: Wundert Sie das?

Mete: Es geht mir nicht darum, dass mir jemand auf die Schultern klopft. Ein wenig enttäuscht bin ich schon, denn es geht mir um die fehlende Wertschätzung für die tausenden Menschen, die die SPÖ und mich gewählt haben. Anbiedern möchte ich mich nicht, doch wenn ich gefragt werde, bringe ich mich natürlich ein.

STANDARD: Sie haben gerade mit einigen Parteikolleginnen und -kollegen die Initiative für Sozialdemokratische Vielfalt (Sovie) ins Leben gerufen. Wozu?

Mete: Aus unserer Sicht muss die Politik die Diversität der Bevölkerung besser widerspiegeln – inhaltlich und auch strukturell.

STANDARD: Eine Auswertung des STANDARD hat ergeben, dass im neuen SPÖ-Nationalratsklub nur zwei von 40 Abgeordneten Migrationshintergrund haben. Das sind fünf Prozent, während es in der Bevölkerung etwa 23 Prozent sind. Ist diese Diskrepanz ein Problem?

Mete: Migrationshintergrund zu haben ist allein kein Qualifikationsmerkmal. Bei den Grünen mit 25 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund im Klub sieht man allerdings, dass eine vielfältige Truppe gut ankommen kann. Und wenn bei der ÖVP von 71 Mandataren kein einziger mit nichtösterreichischem Background dabei ist, läuft etwas verkehrt.

STANDARD: SPÖ-Chefin Rendi-Wagner hat kürzlich einen großen Erneuerungsprozess angekündigt. Warum braucht es mit Sovie eine weitere Initiative parallel dazu?

Mete: Wir wollen mit Sovie keine Parallelstruktur aufbauen. Eines unserer Ziele ist daher, in Zukunft einmal als SPÖ-Vorfeldorganisation anerkannt zu werden. Wir möchten uns natürlich auch in den neuen Prozess einbringen. Mittlerweile bin ich aber seit über 15 Jahren in der Sozialdemokratie organisiert und habe schon einige dieser Versuch miterlebt. Da ist oft viel Papier für die Schubladen produziert worden. Das soll nicht wieder passieren, daher haben wir gesagt, wir beginnen jetzt einmal selbst mit dem Tun.

STANDARD: Aber wirklich konkrete politische Forderungen kann man bei Sovie nicht erkennen.

Mete: Unser Projekt ist langfristig angelegt. Im jetzigen Stadium geht es einmal darum, ins Reden zu kommen und eine Diskussion anzustoßen.

STANDARD: Sind Sie inhaltlich mit der SPÖ im Bereich Migration und Integration unzufrieden?

Mete: Die Inhalte an sich stimmen im Großen und Ganzen, wir dürfen aber Probleme nicht unter den Teppich kehren. Wir müssen auch offensiver kommunizieren. Ein Fehler war, dass wir es verabsäumt haben, mit konkreten Erzählungen aus dem Leben von Betroffenen die negativen Folgen der türkis-blauen Politik im Integrationsbereich aufzuzeigen.

STANDARD: Zum Beispiel?

Mete: Ich kenne einige Familien, deren Kinder in die von türkis-blaue eingeführten Deutschförderklassen gesteckt wurden. Diese Kinder werden aus der Klassengemeinschaft ausgegrenzt und für ihr Leben vorselektiert. Da schafft der Staat schon in jungen Jahren eine Parallelstruktur in der Schule. Das muss die Sozialdemokratie lautstark kritisieren. (Theo Anders, 2.11.2019)