"Jeder hat das Recht, historische Orte zu erkunden. Die Frage ist: Was finde ich dann vor?", sagt die Historikerin Sylvia Necker.

Foto: Christian Fischer

Darf ein ehemaliger KZ Stollen in einen Klimastollen für die Heilung von Atemwegserkrankungen umfunktioniert werden? Im oberösterreichischen Ebensee wird darüber gerade gestritten (DER STANDARD hat berichtet). Es müsse um die Frage gehen, welche Form der Nachnutzung im Jahr 2020 als angemessen betrachtet wird, sagt Sylvia Necker, Historikerin mit dem Forschungsschwerpunkt Architektur und Städtebaugeschichte. Was wäre ein Punkt, den die Allgemeinheit bekäme? Wie werde über diesen historischen Ort informiert?

Für die Leiterin des LWL-Preußenmuseum Minden steht allerdings fest: "Der Stollen gehört zu einem Museum, nicht der privaten Hand." Sie habe auch den Eindruck, dass die historische Forschung ein Stück weit benutzt werde: "Dann sagt man: Wir haben die Geschichte ausreichend dokumentiert, jetzt können wir jede Form von Nutzung machen." Zwischen 1943 und 1945 kamen 8.500 Menschen im KZ Ebensee ums Leben.

Luxushotel und Erinnerungsort

Erfahrungen, wie ein historisch schwer belasteter Ort auch Ziel des Tourismus wird, hat Necker als eine der Kuratoren bei der Dokumentation Obersalzberg, einem Ausstellungs- und Erinnerungsort, genug gesammelt – dort, wo Adolf Hitler sein Feriendomizil und später seinen zweiten Regierungssitz neben Berlin hatte. Auf dem Gelände wurde auch ein Luxushotel errichtet – genau an jenem Ort, wo sich früher das Haus Hermann Görings befunden hatte. "Hier wurde die Debatte zu kurz geführt", sagt Necker und fragt sich, "ob dort jetzt zwingend ein Hotel stehen muss". Es konnte aber erreicht werden, dass es seit 1999 gleichzeitig den neu gestalteten Ausstellungsort gibt.

Wovon die Historikerin nichts hält: Verstecken. Es sei entscheidend, Orte zu besetzen, sie vielleicht auch museal zu nutzen. Auf dem Obersalzberg habe man in den 1950er- und 1960er-Jahren versucht, das Berghofgelände zu bewalden und damit unsichtbar zu machen. Aber, sagt Necker, "jeder hat das Recht, historische Orte zu erkunden. Die Frage ist: Was finde ich dann vor?" Eine Entkoppelung von der Geschichte sei der falsche Weg. Und da sind wir wieder beim Ebenseeer Stollen, denn: "Geht es um Zwangsarbeit und Ermordung von Menschen, ist es eben nicht egal, wo das stattgefunden hat." (Peter Mayr, 4.11.2019)