Niko Kovac in Erklärungsnot.

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Frankfurt am Main – Die mächtigen Bosse verschwanden wortlos und ohne jede Rückendeckung für Trainer Niko Kovac, das öffentliche Training wurde abgesagt: Der FC Bayern München muss nach dem 1:5-Debakel bei Eintracht Frankfurt die schwerste Niederlage in der deutschen Fußball-Bundesliga seit über zehn Jahren aufarbeiten.

Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge und der scheidende Präsident Uli Hoeneß hatten ihren schwer angeschlagenen Coach nach der Pleite am Samstag mit keinem Wort gestärkt. Kovac selbst sagte: "Ich gehe enttäuscht und traurig in den Bus."

Kovac im Kreuzverhör

Als er nach der Rückkehr in München am späten Samstagabend mit dem vor der Presse ebenfalls schweigenden Sportdirektor Hasan Salihamidzic angeregt diskutierte, war seine Zukunft so ungewiss wie nie. Nach dem von einem frühen Platzverweis von Jerome Boateng beschleunigten sportlichen Zerfall wirkte Kovac beim deutschen Meister wie ein Einzelkämpfer. Der Double-Gewinner verteidigte sich nach der höchsten Liga-Niederlage seit April 2009 vor allen Mikrofonen und im Kreuzverhör der Pressekonferenz.

Ob er die kommende englische Woche mit Spielen gegen Olympiakos Piräus und Borussia Dortmund noch als Bayern-Trainer erlebe? "Das weiß ich nicht." So, wie seine Antworten klangen, sah Kovac auch aus: schwer gezeichnet, mitgenommen und mit einer großen Portion Ungewissheit über die eigene Zukunft. Zumindest vorerst dürfte er aber Bayern-Dompteur bleiben. Das berichten mehrere Münchner Medien am Sonntag. Der 48-Jährige leitete auch das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindende Training und bereitete David Alaba und Co. auf das Champions-League-Duell mit Olympiakos Piräus am Mittwoch vor. Abschottung lautet die Münchner Devise nach dem Debakel. "Wir haben am Mittwoch die Möglichkeit, in der Champions League den Sack zuzumachen", wurde Kovac in einer Mitteilung des deutschen Rekordmeisters am Sonntag zitiert. Es sei wichtig, dass man wieder "die Köpfe frei" bekomme.

Turbulente Zeiten

Drei knappe und hart erkämpfte Siege über Union Berlin, Olympiakos und den VfL Bochum hatten ohne Glanz und Souveränität schon immer lautere Zweifel an Kovac geweckt. Das überdeutliche 1:5, nach dem sich die Bayern-Profis mit David Alaba kollektiv in der eigenen Kurve entschuldigten, kam nun zur absoluten Unzeit. "Es ist kein riesiges Wunder, was passiert ist. Es hat sich ein bisschen angebahnt. Die kommenden Tage dürften sehr unruhig werden", sagte Kapitän Manuel Neuer.

Der FC Bayern hat zwischen dem 7:2 bei Tottenham und dem 1:5 in Frankfurt turbulente Wochen hinter sich. Vieles spricht aber dafür, dass es die bevorstehende Phase mit dem Abgang von Hoeneß als Präsident in knapp zwei Wochen sowie einer möglichen Trainertrennung noch mehr in sich hat. "Es war eine deftige Niederlage, die wir erst einmal verarbeiten. Alles andere kann ich Ihnen sowieso nicht sagen, da würden wir hier noch Minuten oder Stunden sitzen", erklärte Kovac. Damit war viel gesagt.

Die Tore von Filip Kostic, Djibril Sow, David Abraham, Martin Hinteregger und Goncalo Paciencia hatten das bayerische Selbstverständnis zuvor regelrecht erschüttert. "Du darfst hier keine fünf Dinger bekommen", sagte Neuer, der vor allem in Hälfte zwei eine Mannschaft vor sich sah, die sich gegen den Klub von Trainer Adi Hütter komplett ergeben hatte.

Déjà-vu

Für Kovac ist die angespannte Situation nicht gänzlich neu. Schon in seinem Debütjahr beim FC Bayern geriet er im Herbst mächtig unter Druck, damals wurde es nach einem 3:3 gegen Düsseldorf richtig ungemütlich. "Ich bin nicht blauäugig. Ich habe im letzten Jahr nicht aufgegeben und werde auch jetzt nicht aufgeben", sagte der Trainer, dessen Kampfgeist sich diesmal mehr in seinen Worten als in seiner Körpersprache widerspiegelte. Die vergangene Spielzeit endete trotz Krise mit dem Double, doch selbst die beiden nationalen Titelgewinne räumten die grundsätzlichen Zweifel an Kovac nicht aus.

Zuletzt war es nicht nur die fehlende sportliche Konstanz, die dem Trainer vermehrt Kritik einbrachte. Mit dem überflüssigen "Not-am-Mann"-Kommentar zum häufig als Reservisten eingesetzten Thomas Müller machte sich Kovac keine Freunde, nach schwachen Spielen nahm er stärker die Profis in die Kritik und sich selbst davon aus.

Konnte Kovac früher seine Stärken als Trainer in Sachen Kompaktheit und Defensivverhalten ausspielen, so war davon zuletzt nicht mehr viel zu sehen. 16 Gegentore sprechen eine klare Sprache: Das sind mehr als bei Aufsteiger Union Berlin und so viele wie zu diesem Saisonzeitpunkt zuletzt unter Jürgen Klinsmann im Jahr 2008. (APA/dpa, 3.11.2019)