"Neben den bestehenden Maßnahmen bedarf es einer Vielzahl weiterer Aktivitäten in hoher Intensität", sagt die Regierung über den Verkehrssektor.

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In der internationalen Klimapolitik ging es vergangene Woche Schlag auf Schlag: Chiles Präsident Sebastián Piñera sagte aufgrund anhaltender Proteste die Klimakonferenz im Dezember ab, Spanien sprang darauf kurzerhand ein. Die Klimaaktivistin Greta Thunberg will dennoch teilnehmen und sucht in sozialen Medien nach einer CO2-armen Reiseoption zurück über den Atlantik.

Die Regierung Bierlein schickt das Gesetz von heute bis 2. Dezember in Begutachtung, der Plan hat aber noch entscheidende Lücken.
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Und auch in Österreich hat sich klimapolitisch etwas bewegt: Das Umweltministerium präsentierte den lange erwarteten nächsten Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP). Das Dokument ist quasi ein Wegweiser, wie Österreich die nationalen Klimaziele bis 2030 erreichen will.

Keine großen Würfe

Im Vergleich zum Vorjahr gebe es "sehr viele zusätzliche Maßnahmen", hieß es bei der Präsentation im Ministerium. Deutlich umfassender fiel der neue Entwurf zumindest in Bezug auf die Seitenzahl aus. Inhaltlich wurde zwar in einigen Bereichen nachgeschärft und konkretisiert. Große Würfe blieben dennoch aus. So etwa die von zahlreichen Wissenschaftern in einem kürzlich veröffentlichten Referenz-NEKP geforderte klimagerechte Steuerreform inklusive CO2-Preis.

Anstoß für die Zweitversion war eine Bewertung der EU-Kommission. In einem durchaus kritischen Feedback sprach die Kommission zehn Empfehlungen für den finalen Klimaplan aus. Die EU-Kritik wurde laut Klimasektionschef Jürgen Schneider nun in Koordination mit Finanz- und Verkehrsministerium sowie mit den Ländern eingearbeitet. Der finalen Prüfung in Brüssel sehe man "extrem gelassen entgegen".

  • Verkehr In diesem Bereich gab es besonders viele Adaptierungen. Neu im Papier ist etwa die Überlegung, ein Öffi-Ticket nach Schweizer Vorbild zu prüfen, das für alle öffentlichen Verkehrsmittel gilt. Auch bei Taxis und Mietwagen sind Änderungen geplant: Neu zugelassene Pkws sollen ab 2025 nur mehr emissionsfrei betrieben werden.
    In dem aktualisierten Kapitel finden sich allerdings auch viele bekannte Maßnahmen – wie die Stärkung der Radfahrer und Fußgänger, der Ausbau der E-Mobilität oder die Stärkung des öffentlichen Verkehrs. Während im Dezember-Entwurf noch klare Investitionsvolumina für die Schiene genannt wurden, sparte man in der neuen Version mit Zahlen.
    Ob all das ausreichen wird, um den hohen Ausstoß im Verkehrssektor zu reduzieren, bleibt offen. Von den bisherigen Bemühungen in dem Bereich dürfte die Regierung selbst nicht ganz überzeugt sein: Immerhin heißt es in dem Bericht, dass die festgelegten Punkte nur "ein erster wichtiger Schritt" seien. Und: "Neben den bestehenden Maßnahmen bedarf es einer Vielzahl weiterer Aktivitäten in hoher Intensität."
  • Erneuerbare Nachgeschärft wurde unter anderem auch das Energieziel 2030. War im Dezember-Entwurf noch die Rede von einer Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch auf 45 bis 50 Prozent, liegt der Wert in der neuen Fassung bei 46 bis 50 Prozent. Auch im Bereich der Landwirtschaft wurden einige Punkte konkretisiert – allen voran im Bereich des Düngereinsatzes.
  • Emissionshandel Ein Novum ist die Überlegung, das EU-Emissionshandelssystem auf weitere Sektoren auszuweiten. Auktionserlöse könnten dabei in klima- und energierelevante Projekte fließen. In dem Dokument wurden diese Punkte allerdings nicht konkretisiert. Ob damit also ein nationales Emissionshandelssystem mit CO2-Festpreisen gemeint ist, wie es unlängst in Deutschland beschlossen wurde, lässt sich nicht eruieren.
  • Klimaschädliche Subventionen Der Aufforderung der EU-Kommission, klimaschädliche Subventionen sowie Pläne, wie diese abgebaut werden sollen, aufzulisten, kam man jedenfalls nur bedingt nach. Im NEKP-Entwurf im Dezember hieß es noch, eine entsprechende Liste solle bis Juni 2019 vorliegen. Zwar wurde mittlerweile eine Aufzählung veröffentlicht, diese basiert allerdings nicht auf eigenen Daten, sondern auf – teils Jahre zurückliegenden – Studien. In der neuen NEKP-Fassung hat sich die Regierung jedenfalls auf kein konkretes Datum mehr festgelegt, die Liste sei lediglich "zu erstellen". Zur Abschaffung jener Subventionen heißt es: Diese sollen, "sofern keine Gegenargumente (insbesondere standortrelevanter Natur) bestehen", schrittweise abgebaut werden.

Optionen offen gelassen

Der vorgelegte Plan beinhaltet derzeit noch mehrere "Optionen" anstelle von "fixen Maßnahmen", erklärte Schneider. Inwieweit diese im finalen Plan landen würden, obliege der Übergangsregierung. Außerdem wartet das Ministerium noch auf die Einschätzung eines unabhängigen Konsortiums. Dieses erstellt bis Anfang Dezember ein sogenanntes WAM-Szenario ("with additional measures") – also einen Fahrplan mit zusätzlichen angedachten Maßnahmen. Die Ergebnisse des Konsortiums sollen laut Schneider in das finale Papier "vollinhaltlich integriert" werden.

Außerdem durchläuft der Plan noch einen öffentlichen Konsultationsprozess, der heute, Montag, startet. Bis Anfang Dezember können Bürger und sonstige Stakeholder das Papier beurteilen – allerdings ohne den vollen Inhalt zu kennen: Die Folgenabschätzung der geplanten Politiken und Maßnahmen hätte laut ursprünglichem NEKP-Entwurf "im ersten Halbjahr 2019" veröffentlicht werden sollen, im neuen NEKP wird "Ende 2019" als Datum genannt.

Berechnung in Fertigstellung

Wie viel die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen kosten soll, wollte man bei der Präsentation nicht konkretisieren – die Gesamtberechnung sei noch in der Fertigstellung. Im finalen Entwurf werden dann aber wohl ein Eurobetrag und die geplanten Finanzierungsquellen stehen müssen – das forderte zumindest die Kommission in ihrer Kritik.

Mit dem Plan, den Schneider eine "politische Selbstverpflichtung" nennt – immerhin ist er nicht rechtlich bindend -, müsse sich Österreich jedenfalls vor "niemandem verstecken". Laut dem Ministeriumssprecher können die Klimaziele bis 2030 durch den Maßnahmenkatalog jedenfalls erreicht werden.

Und wie geht es weiter? Nach der Abgabe an die EU-Kommission Ende Dezember wird diese noch einmal ein Feedback geben. Für die nächste Regierung sei das Papier eine "gute Grundlage", so Schneider, auf das kommende Kabinett warte allerdings "viel Arbeit". Das dürfte sich bewahrheiten: Immerhin will die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die EU-Klimaziele für 2030 anheben. Dann müsste wohl auch Österreich erneut nachbessern. (Nora Laufer, 4.11.2019)