Die Franzosen haben eine neue Plattform entwickelt, auf der auch Elektroautos darstellbar sind – auch darauf spitzt Fiat.

Foto: Peugeot

Die Addition ist noch die einfachste Übung. Rechnet man den Jahresabsatz 2018 von FCA (Fiat Chrysler Automobiles) und PSA (Peugeot, Citroën, DS, Opel) zusammen, ergibt sich ein Riese mit 8,9 Millionen Autos. Im aktuellen Ranking wäre das Platz vier. Ob PSA-FCA, oder wie immer der Konzern dann heißen wird, auch nachhaltiger Erfolg beschieden sein wird, ist eine ganz andere Frage. Skepsis ist angebracht. Größe allein ist nicht alles.

Ausgangsbasis für das Zusammenrücken war das ganze Jahr schon die fast händeringende Suche der Italiener nach einem Allianzpartner, der einem nicht so nebenbei gleich das Genick bricht. Noch im Frühjahr hatte PSA vorerst abgewinkt – Insider berichteten sinngemäß, Firmenchef Carlos Tavares wolle sich diese Bürde einfach nicht aufhalsen.

Abgebrochen

Die daraufhin geführten Gespräche mit Renault hatte Fiat abgebrochen mit der Begründung, zu sehr in den Sog des französischen Staates zu kommen, der knapp 20 Prozent an Renault hält – nur um jetzt bei PSA wiederum auf diesen zu stoßen: In der Folge der Finanzkrise 2008 war Paris ja 2012 mit 13,7 Prozent beim angeschlagenen Konzern eingestiegen.

Inzwischen ist PSA zwar auf Erfolgskurs, hat aber genug damit zu tun, die Integration der deutschen Tochter (seit 2017) zu stemmen. Warum dann sich jetzt doch Fiat an die Brust nehmen? Das hat auch ein wenig mit Psyche zu tun. Der ehrgeizige Ex-Renault-Mann Tavares hat noch eine Rechnung offen, die persönliche Komponente sollte man nicht unterschätzen.

Versäumnisse

Bei Fiat selbst rächen sich die Versäumnisse der Ära Sergio Marchionne (2018 verstorben). Man kann ein Unternehmen auch kaputtsparen: Als Fiat nach Jahren der Beinahepleite von Bilanzerfolg zu Bilanzerfolg geeilt war und sich aus der Konkursmasse der US-Autoindustrie Chrysler (mit Jeep) quasi zum Nulltarif geschnappt hatte, wurde die Weiterentwicklung der Markenwelt sträflich vernachlässigt. Dafür hatte der Zahlenmagier Marchionne so gar kein Sensorium.

Das Erfolgsmodell der Kernmarke, der Fiat 500, basiert auf einem ebenfalls in die Jahre gekommenen Panda. Einzige neu entwickelte Plattform ist jene, auf der Jeep Renegade und Fiat 500X stehen. Bei Alfa wurde zwar eine hinterradbasierte Plattform für Giulia, Stelvio und etliche in Aussicht gestellte neue Modelle geschaffen, nur lassen die erstens auf sich warten und zweitens floppt Alfa selbst. Gut möglich, dass die Marke das Schicksal von Lancia ereilt.

Angesprungen

Bei den US-Marken profitierte Fiat lange vom wieder angesprungenen US-Markt (zu dem sich PSA nun auf dem Papier leichteren Zugang erhofft) und von dem Umstand, dass Chrysler, Jeep, Dodge noch mit Technik des einstigen deutschen Eigners Daimler ausgestatten waren. Man lieferte zwar sparsame Motoren zu, sparte sich aber teure Neuentwicklungen.

PSA wiederum: Statt kompetente Forschungs-und-Entwicklungs-Zentren wie das von Opel in Rüsselsheim zu stärken, wird hier sogar noch eingespart. Vor allem aber: Bei keinem einzigen Zukunftsthema – Vernetzung, autonomes Fahren, alternative Antriebe – ist FCA federführend, bei PSA sieht es nicht viel besser aus.

Wobei allerdings zu berücksichtigen wäre, dass heute die Wertschöpfung bei Autokonzernen nur mehr zwischen zehn und 20 Prozent liegt. Der Großteil der wirklich relevanten Innovationen stammt von den großen Zulieferern (die wiederum weder in Frankreich noch Italien sitzen, sondern vor allem in Deutschland und Japan), wenn auch in Kooperation mit den Herstellern.

Zukunftstauglich

Immerhin haben die Franzosen zwei zukunftstaugliche Plattformen entwickelt, eine größere (EMP2), auf der neben Verbrennungsmotoren Plug-in-Hybride unterkommen, und eine kleine (CMP), auf der sich auch batterieelektrische Fahrzeuge darstellen lassen. Die ersten Sendboten – Peugeot e-208, Opel Corsa-e – stehen in den Startlöchern.

Darauf besonders dürfte es Fiat abgesehen haben. Man käme so zügig in den Genuss, mit eigenen Plug-in- und E-Mobilen nachziehen zu können. PSA wiederum ortet darin Sparpotenzial durch schiere Stückzahl. Das Manko eines sich auf weiten Strecken überschneidenden Modellangebots beider Konzerne würde so zu einem margentechnischen Plus. (Andreas Stockinger, 4.11.2019)