Im nächsten Jahrzehnt stehen mehr Veränderungen an, als in den letzten 50 Jahren passiert sind, sagt Kai Gondlach. Der Zukunftsforscher war Keynote-Speaker beim "pma focus", dem Jahreskongress der Projektmanager im Austria Center in Wien. In seiner Rede skizzierte er, welche Innovationen zu erwarten sind und wie sich Projektmanagerinnen und Projektmanager darauf einstellen können. Das Schwierige an seinem Beruf, sagt Gondlach: "Die Zukunft existiert als Forschungsobjekt nicht, sie ist nicht messbar." Man kenne zwar einige Treiber für neue Entwicklungen, "aber es gibt auch einen wachsenden Anteil derer, die wir gar nicht kennen und daher nicht einschätzen können". Er versuche tagtäglich, Licht ins Dunkel zu bringen.

Als großen Trend identifiziert Gondlach wenig überraschend die Digitalisierung. Sie werde künftig noch tiefer in unser Leben eindringen, zu einem noch wichtigeren Teil des Alltags werden. Schon jetzt kann man über den Sprachassistenten Alexa eine Pizza bestellen, und in einer halben Stunde ist sie da. Schon jetzt können Algorithmen treffsicher einschätzen, welches Produkt auf Amazon einem gefällt.

"pma focus" im Austria Center Vienna: Gastgeberin Brigitte Schaden, Präsidentin von Projekt Management Austria (pma), mit dem diesjährigen Eröffnungsredner Kai Gondlach. Er beschäftigt sich mit den großen Trends der Zukunft.
Foto: andy urban

Künftig könnten virtuelle Assistenten gar sämtliche Entscheidungen für uns übernehmen, sagt Gondlach. Beispielsweise könnten sie für uns in der Früh die Kleidung aussuchen, was die meisten als mühsam empfinden. "Wir bringen dem Bot bei, wie wir bei verschiedenen Anlässen gekleidet sein möchten. Dann erlauben wir ihm noch Zugriff auf unsere Fotos – und er wird sich das merken und uns die Entscheidung das nächste Mal abnehmen." Wird ein spezielles Kleidungsstück gebraucht, werde er es online bestellen.

Diese Assistenten werden auch emotional intelligent sein und sagen können, wie wir uns fühlen, prognostiziert der Zukunftsforscher. Gar nicht so abwegig, wenn man bedenkt, dass es bereits Apps gibt, die mittels Sprachanalyse Gefühle analysieren. Auch Krankheiten könnten so erkannt werden. "Es gibt Krebsarten und eine Reihe psychischer Erkrankungen, die sich in der Stimme zeigen."

Autonome Autos, Flugtaxis

Für die Arbeitswelt prognostiziert Gondlach eine weitere Überalterung, weil die Menschen noch älter werden. Der Fachkräftemangel wird sich ihm zufolge verschärfen. Ein Trend, der sich fortsetzen werde, sei die Urbanisierung. Die Werte würden sich weiter wandeln – Menschen immer selbstbezogener und postmaterialistischer. "Sie wechseln häufiger den Arbeitgeber, sind weniger loyal. Und es kommt ihnen nicht so stark auf das Geld an, sondern auf Selbstdarstellung." Gleichzeitig werde der Bildungsstand der Bevölkerung weiter steigen. Gefragt seien künftig einerseits Generalisten, die vielseitig einsetzbar sind, andererseits Superspezialisten.

Full House beim diesjährigen "pma focus": 670 Projektmanagerinnen und Projektmanager sind gekommen. Der Fachkongress war in diesem Jahr erstmals ausverkauft.
Foto: PMA/Schedl

Eine wichtige Innovation, die auf uns zukommt, sind laut Gondlach Fahrzeuge, die nicht mehr von Menschen gesteuert werden, sondern autonom unterwegs sind, auch als fahrbare Büros oder Hotels. Außerdem könnten bald Drohnen herumfliegen, die Pakete transportieren und irgendwann als "Flugtaxis" auch Menschen. Einige wenige Menschen, sagt der Zukunftsforscher, "werden unsterblich". Schon jetzt seien Mechanismen bekannt, um das Altern aufzuhalten.

Bleibt noch die wichtige Frage: Wie managt man diese konfuse, schwer vorhersehbare Welt? Auch dazu hat Gondlach seinem Publikum Ideen mitgebracht. Es brauche eine bessere Toleranz gegenüber Fehlern, sagt er, denn bekanntlich kann es nur dadurch Fortschritt geben. Wer Netzwerke bildet und die Intelligenz der Masse nutzt, statt allein vor sich hin zu arbeiten, sei erfolgreicher. Für Unternehmen bedeute das: Kooperationen mit anderen Unternehmen eingehen, ehemalige Mitarbeiter anzapfen, um Inputs zu bekommen. Die Automatisierung unliebsamer Arbeiten nennt Gondlach als Rezept gegen überbordende Bürokratie, "die unsere Innovativität hemmt".

Veränderung bejahen

Menschen müssten als Menschen behandelt werden, das hätten die meisten Konzerne immer noch nicht verstanden. "Sie sehen Mitarbeiter als Maschinen", sagt Gondlach, "aber das sind gut ausgebildete Menschen, die noch etwas anderes können wollen".

Schließlich brauche es ein "Zukunfts-Mindset", ein explizites Nachdenken darüber, was die nächsten Jahre Neues bringen könnten. Es müsse auch gelingen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern "eine Kultur mitzugeben, die Veränderung bejaht". Denn, resümiert Gondlach: "Zukunft ist eine Frage der Perspektive." (Lisa Breit, 6.11.2019)