Gerade im Verkehrssektor würden große Neuerungen fehlen, um die dort erforderliche Emissionsreduktion zu erreichen, kritisiert Klimaökonom Steininger.

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Nach der Veröffentlichung des nächsten Klimafahrplans der Regierung gehen die Wogen – wieder einmal – hoch. Schon nach der Präsentation des Erstentwurfs im Dezember letzten Jahres erntete der Maßnahmenkatalog des Umweltministeriums heftige Kritik. Auch diesmal fällt das Urteil seitens der Wissenschaft, Parteien und Umweltorganisationen nicht besser aus. Während das Ministerium meint, mit dem Plan könnten die Klimaziele erreicht werden, sehen Experten das anders.

Klimaplan mit großen Lücken.
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"Wir werden die EU-Ziele mit diesen Maßnahmen nicht erreichen", meint etwa der Umweltökonom Karl Steininger vom Grazer Wegener-Center. Den Zielen laut Pariser Klimakonvention werde der Entwurf schon gar nicht gerecht. Gerade im Verkehrssektor würden große Neuerungen fehlen, um die dort erforderliche Emissionsreduktion zu erreichen. Die fünf Hauptmaßnahmen in dem Plan seien wortident mit bisherigen Vorhaben, kritisiert der Ökonom. Hinzugekommen seien primär jene, die im Steuerreformgesetz 2020 geplant waren – wie die Ökologisierung der Normverbrauchsabgabe.

"Chance vertan"

Auch auf die Kritikpunkte der EU-Kommission wurde in dem neuen Entwurf nicht ausreichend eingegangen. Der Forderung der Kommission, die Vorgehensweise zur Beseitigung kontraproduktiver Subventionen zu nennen, kam die Regierung beispielsweise nicht nach. Die EU-Kommission forderte in ihrer Kritik unter anderem, dass die Regierung konkrete Emissionsreduktionsziele für alle Sektoren festlegt. Das sei im neuen Plan allerdings nicht geschehen. In dem Papier wurde lediglich darauf verwiesen, dass die Sektorbeiträge im Rahmen des Klimaschutzgesetzes verankert werden. Eine wirksame Klimapolitik ist laut dem Wissenschafter jedoch bereits mehr als fällig: "Man hat die Chance für die Übergangsregierung vertan, die Ausrichtung rechtzeitig zu beginnen und ein weiteres Lock-in in rückwärtsgewandten Technologien zu verhindern."

Insgesamt stellt der Ökonom dem neuen Plan ein schlechtes Zeugnis aus: "Die Maßnahmen wurden nur marginal erweitert, jedenfalls bei weitem nicht ausreichend, um die durch Österreich selbst gesetzten Ziele 2030 zu erreichen." Der Plan sei "ungenauer" geworden und "noch schwieriger zu quantifizieren". Das Erreichen der Ziele werde mit den vorgesehenen Maßnahmen nicht nur schwieriger, sondern auch teurer.

Zwar ist erstmals die Rede von einer möglichen CO2-Bepreisung in Form einer Ausweitung des EU-Emissionshandels – das wurde allerdings nur als Option genannt. Diese Maßnahme könnte jedoch einen tatsächlichen Lenkungseffekt haben, meint Steininger: "Wenn man das mit einem Preis von 50 Euro je Tonne durchsetzt, könnte man durchaus etwas bewegen, kombiniert mit einem Klimabonus und begleitenden Maßnahmen wie einem besseren Angebot öffentlicher Verkehrsmittel."

Öffentliche Konsultationsphase startet

Montagmittag startete die öffentliche Konsultationsphase, die bis Anfang Dezember läuft. Die Frist der Einarbeitung danach ist kurz, meint der Ökonom. Immerhin hat dann noch der Ministerrat über die finale Version des Klimaplans abzustimmen, bevor er vor Jahresende nach Brüssel geschickt werden muss. In dieser kurzen Zeit tiefgehende Veränderungen zu erzielen sei wohl kaum möglich.

Steininger plädiert dafür, dass sich die Republik am schwedischen Beispiel orientiert. Das Land will nicht nur das von der EU gesetzte Mindestziel erreichen, sondern hat sich zu einem höheren Reduktionsziel bekannt. Damit sichert es seinen Wirtschaftsstandort bereits heute durch innovative und langfristig tragfähige Wirtschaftsstrukturen, meint Steininger.

NGO: Klimaplan ist Bankrotterklärung

Kritik am Klimaplan gab es auch von mehreren Umweltorganisationen. "Wir sind richtig sauer, dass nach den jahrelangen Diskussionen noch immer kein vernünftiger Fahrplan vorliegt, der zeigt, wie wir unsere Klimaziele erreichen wollen", kritisierte Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von Global 2000. Greenpeace sprach unterdessen von einer "Bankrotterklärung": "Wir haben keine Zeit dafür, den Klimaschutz aufzuschieben und der nächsten Regierung zu überlassen", sagte Umweltexperte Adam Pawloff.

Kritik kam auch vom Dachverband Erneuerbare Energie, dessen Präsident Peter Püspök meinte: "Mit kosmetischen Maßnahmen wird man dem Überlebensthema Klimaschutz nicht gerecht." Der Verkehrsclub Österreich sieht unterdessen dringenden Handlungsbedarf im Verkehrssektor – anders als etwa der ÖAMTC: Dieser nannte den NEKP-Entwurf einen "Schritt in die richtige Richtung".

Kritik von mehreren Parteien, Lob von der ÖVP

Überraschend laute Kritik kam auch von mehreren Parteien: In dem Plan wurden "brennende Fragen" nicht beantwortet, beanstandete Neos-Umweltsprecher Michael Bernhard: "Es reicht nicht, an kleinen Schräubchen zu drehen." Unzufrieden zeigte sich auch Jörg Leichtfried (SPÖ), er kritisierte den fehlenden Finanzierungsplan: "Der vorliegende Klimaplan ist offenbar das Erbe von Schwarz-Blau und wiederholt die oberflächliche Kosmetik der Vorgängerregierung." Für die Grünen ist der Plan eine "herbe Enttäuschung", wie deren stellvertretende Klubobfrau Leonore Gewessler betonte.

Laut der Nachrichtenagentur APA verteidigte die ÖVP den Entwurf unterdessen. Er biete eine "gute Grundlage", wird Ex-Umweltministerin Elisabeth Köstinger zitiert. "Welche Maßnahmen zusätzlich zu setzen sind, wird ein wichtiger Bestandteil des nächsten Regierungsprogramms sein." Die FPÖ, mit der zusammen die ÖVP den Erstentwurf erstellt hatte, meldete sich vorerst nicht zu Wort. (Nora Laufer, 4.11.2019)