Die oberösterreichische Rapperin und Sängerin Hunney Pimp gibt sich auf ihrem Album "Chicago Baby" als Bonnie im Kleid. Chanson und Rap zu verbinden gelingt ihr dabei spielend leicht.

Foto: Raphael Moser

Wer überdurchschnittlich großes Interesse an Rap aus Österreich und etwas Glück hatte, ist 2016 auf Youtube vielleicht über ein Video gestolpert. I bin miad lautete sein Titel, und es zeigte eine junge Frau im ranzigen T-Shirt in Wiener Parks und der S-Bahn herumlungern. Erwähnenswert, dass sie dabei auch rappte – auf Basis des ohnehin schon meschuggenen Instrumentals des Hits No Type nämlich, den uns das amerikanische Hip-Hop-Duo Rae Sremmurd 2015 beschert hatte. Hunney Pimp, wie sich die Rapperin nannte und nennt, vermied bei ihrer Interpretation einen Fehler, den junge Künstler häufig begehen, nämlich das Vorbild bloß uninspiriert zu imitieren.

Hunney Pimp

Radiererfette Langsamkeit

I bin miad fühlt sich völlig anders an als die Partyhymne No Type. Sie klingt nach dem Katertag, der auf die Feier folgt, nach Kopfweh und einem halbgerauchten Ofen im Aschenbecher. "Wichse auf der Bettwäsch' / Wo ist dieser Depp jetzt?", fragt sich Frau Pimp mit überzeugender Kombination aus gewandtem Dreifachreim und Schmäh, die man gut von den Vertretern des Salzburger Hanuschplatzflow-Kollektivs kennt; allen voran von dessen Häuptling Young Krillin. Dem Kollektiv ist auch Hunney Pimp, die zwar aus Oberösterreich stammt, zumindest ideell zuzuordnen: als first und einzige Lady.

Wer also auf I bin miad stieß, musste zwei Dinge erkennen: Hunney Pimp hat etwas, was vielen österreichischen Rappern fehlt: Flow, also das gelungene Zusammenspiel aus Rhythmus und Reim, die Fähigkeit, nicht nur über einen Beat zu rappen, sondern mit ihm. Dialektrapper in Österreich haben dafür generell mehr Gspür, die Weichheit des Idioms kommt ihnen zupass. Außerdem hatte Pimp das Handwerk von der Pike auf gelernt – Freestyles und Battles sind ja bekanntlich das Hip-Hop-Gymnasium. Das wurde ihr aber bald langweilig, also machte sie sich auf die Suche nach einem raffinierteren Zugang, bei dem die Stimmungen wichtiger waren als Punchlines.

Hunney Pimp

Ein frischerer Sound

Da wären wir auch beim zweiten Punkt: Auffällig war schon ganz am Anfang, dass Hunney Pimps unpeinliche Mischung aus Rap und Gesang, die radiererfette Langsamkeit und die Fähigkeit, Geschichten mit wenigen Schlüsselsätzen zum Leben zu erwecken, unverkennbar sein könnte – wenn man es nur richtig machte. 2017 veröffentlichte sie dann ihr Debütalbum Schmetterlinge, das zwar eine künstlerische Weiterentwicklung zeigte, aber dennoch viel zu matschig klang. Cloud Rap schön und gut, aber irgendetwas verstehen zu können wäre schon fein gewesen. Kurz wünschte man sich, dass Hunney ihren Produzenten Melonoid genauso links liegenlassen würde wie die von ihr besungenen Gspusis mit Ablaufdatum. Ein frischerer, klarerer Sound, der ihre Stimme mehr ins Zentrum rückt, hätte ihr gutgetan – hatte sie doch nicht nur den blümeranten Couchpotatoes etwas zu sagen.

Zwei Jahre später hat sich nun wirklich etwas verändert. Hunney Pimp hat sich herausgeputzt, trägt statt Sportschuhen Stöckel und inszeniert sich auf ihrem neuen Album, Chicago Baby, als ebensolches. Sie gibt die verträumte Bonnie im Kleid, die auf Abwege gerät und sich in einen Ganoven verliebt. Kitsch und Gewalt, Amour fou – wohlbekannte Topoi, die Hunney Pimp aufzupeppen vermag. Dass das Album einem Narrativ, einem Konzept folgt, unterstreicht auch ihre Fähigkeit, Geschichten zu erzählen.

Ohrwurm mit Blumen

Und siehe da: Weiterhin mit Melonoid zu arbeiten war die richtige Entscheidung. Zusammen entwickelten sie einen Klang, der aus der Masse aktueller Produktionen im erweiterten Hip-Hop-Feld heraussticht. Rap zum Beispiel mit Chanson zu verbinden klingt erst einmal gewagt. 1000 Blumen, der Abschlusssong auf dem acht Lieder starken Album, ist ihre Version von Für mich soll's rote Rosen regnen – und es funktioniert! Der Opener Chicago Baby und die darauffolgende Nummer Bugaboo wehren sich endlich nicht mehr mit Händen und Füßen dagegen, Ohrwürmer zu sein.

Hunney Pimp

Fantastisch auch Ganovin, das einen sofort ins Milieu der Strizzis und Strizzas mitnimmt – Hunney heißt nicht umsonst Pimp, also Zuhälter(in). Alles, was jetzt so gut ineinandergreift, war schon früher angelegt – ob sich Hunney Pimp im T-Shirt oder Kleid präsentiert, ist da zweitrangig. Rappen und singen konnte sie immer – jetzt will man auch zuhören. (Amira Ben Saoud, 5.11.2019)