Das Haus der Geschichte in der Neuen Burg braucht mehr Platz und Budget.

APA

In einer unlängst veröffentlichten Umfrage, in der erhoben wurde, worauf die Österreicher "besonders stolz" seien, nannten 50 Prozent den Bereich Kunst und Kultur. Und auch im Ausland wird das Land, das immer wieder gerne als "eine einzige Bühne" beschrieben wird, vor allem aufgrund seiner künstlerischen Leistungen beachtet. Das ist nicht nur Erbe einstiger imperialer Größe, es ist auch das Verdienst umsichtiger öffentlicher Kulturförderung seit Gründung der Republik.

Ernüchternd scheint in dem Zusammenhang allerdings, dass die Budgetmittel für Kunst und Kultur seit den 2000er-Jahren stagnieren. Nicht einmal ein Prozent des Gesamthaushalts des Bundes ist dafür reserviert (437,5 Millionen waren es zuletzt), auf Länderebene sind es ein bis drei Prozent. Schwer wiegt, was Kultureinrichtungen des Landes gebetsmühlenartig beklagen: Weil die Kulturbudgets nicht jährlich mit der Inflation angepasst werden, Gehälter aber dennoch steigen, stehen viele Theater, Museen oder Orchester unter permanentem Spardruck. Das wiederum begünstigt wirtschaftliche oder soziale Fehlentwicklungen, wie man sie in jüngerer Vergangenheit im heimischen Kulturmanagement häufig erlebt hat.

Budget und Raum

Oberstes Ziel aktiver und nachhaltiger Kulturpolitik müsste daher die immer wieder angedachte, aber von Regierung zu Regierung verworfene, automatische Inflationsanpassung (Valorisierung) der Fördergelder sein: Die SPÖ will es angeblich, konnte es gegen die VP-Finanzminister aber offenbar nie durchsetzen, Neos wollen es, sehen die Maßnahme sogar als einen Akt wirtschaftlicher Vernunft an, und die Grünen fordern es ohnehin seit vielen Jahren.

Letztere hätten im Fall einer immer wahrscheinlicher werdenden Regierungsbeteiligung mit der ehemaligen Rektorin der Akademie der Bildenden Künste, Eva Blimlinger, eine erfahrene Kunst- und Universitätsexpertin als Ministerkandidatin aufzubieten. Signale in Richtung ÖVP gibt es bereits. So griff Blimlinger etwa einen Vorschlag von Salzburgs VP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer auf, wonach es über die Valorisierung hinaus ein kulturelles Konjunkturpaket geben soll, aus dem man Investitionen bei den Bundesmuseen und -theatern sowie den Salzburger Festspielen finanzieren könnte.

Mehr Geld, Raum und konzeptuelle Hingabe benötigen jedenfalls das provisorische Haus der Geschichte in der Neuen Burg, das unterdotierte Staatsarchiv und das Volkskundemuseum. Dringend überlegenswert ist auch die Forderung des Museumsbundes nach der Einführung einer bundesweiten Jahres-Eintrittskarte für Museen: Was in anderen europäischen Ländern selbstverständlich ist, wäre auch gegenüber dem heimischen (Kultur)steuerzahler nur gerecht. Denn Tageseintritte von 17 Euro und mehr sind bei einer immer noch vergleichsweise starken öffentlichen Finanzierung nur schwer argumentierbar.

Moral und Nachwuchs

Mit der Erfahrung aus dem international vorbildlichen Umgang mit Kunstrückgaben im NS-Zusammenhang sollte die neue Regierung sich auch an der europäischen Diskussion über die Restitution kolonial belasteter Kulturgüter aktiv beteiligen. Zu erarbeiten wäre ein ethisch-juristisches Grundlagenwerk, auf dessen Basis man agieren kann, zu schaffen wären zusätzliche Stellen für Restitutionsforschung sowie eine eigene Kommission nach dem Vorbild jener, die sich um die NS-Fälle kümmert.

Wichtig ist bei dieser Thematik die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene: mit Frankreich, den Benelux-Ländern und Deutschland. Dass das frühere Kultur- und Bildungsressort der EU zuletzt im Ressort "Jugend und Innovation" aufgegangen ist, sehen Kulturschaffende als alarmierend an. Österreich könnte gerade im Kulturbereich ein starker EU-Player sein.

Auf struktureller Ebene verbessern ließe sich die kulturpolitische Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Neue Bande sollten auch zwischen Kultur- und Bildungseinrichtungen geknüpft werden. Wer will, dass Österreich weiterhin "eine einzige Bühne" im besten Sinne bleibt, dem muss künstlerische Nachwuchsförderung von der Volksschule bis zur Universität ein zentrales Anliegen sein. An Vorschlägen für kulturpolitische Koalitionsverhandlungen mangelt es jedenfalls nicht. So haben erst kürzlich 75 Kulturorganisationen ein gemeinsames Zwölf-Punkte-Programm für die nächste Regierung vorgelegt. Der Verhandlungstisch ist also reich gedeckt. (Stefan Weiss, 4.11.2019)