Wien – Unter Türkis-Blau produzierte die FPÖ braune Einzelfälle in Serie – doch angesichts der jüngsten Entgleisung des Abgeordneten Wolfgang Zanger kennt die ÖVP diesmal kein Pardon: Von Obmann Sebastian Kurz ("extrem widerlich") abwärts fordern Bürgerliche wie Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka oder Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl Zangers Rücktritt – und das "in unüblicher Vehemenz", wie Politexperte Thomas Hofer konstatiert.

Die ÖVP kennt bei FPÖ-Mann Wolfgang Zanger kein Pardon.
Foto: APA / Roland Schlager

Kommt Türkis mit dem blauen Festhalten an Zanger trotz Liederbuchaffäre die FPÖ als potenzieller Koalitionspartner endgültig abhanden? Wer derzeit in die ÖVP hineinhört, dem werden auch ältere Verfehlungen von Zanger heruntergebetet – großes Unverständnis herrscht vor allem darüber, warum FPÖ-Chef Norbert Hofer, seit kurzem mit Durchgriffsrecht ausgestattet, den Mandatar hält. Dazu ein ÖVP-Funktionär: "All das macht es sicher nicht leichter, die FPÖ als staatstragende Partei zu positionieren."

Tatsächlich ist Zanger nicht erst mit der ersten Verteidigung seines Liederbuches aus dem Besitz der Verbindung "Pennales Corps Austria zu Knittelfeld", das antisemitische Texte samt "Heil Hitler"-Sprüche enthält, auffällig geworden ("distanzieren kann ich mich nur von etwas, das ich selbst geschrieben, gesagt oder getan habe").

Immer wieder im Gerede

Schon 2006 sorgte der Knittelfelder für Aufsehen, als er im ORF-Report erklärte, dass es "natürlich" auch gute Seiten am NS-Regime gegeben habe. Den Einwand, dass selbst Autobahnbau & Co Kriegsvorbereitungen gewesen waren, parierte der schlagende Burschenschafter einst so: Das könne er "nicht beurteilen", weil er "damals nicht auf der Welt" war.

Erst im Frühjahr kam Zanger erneut ins Gerede, nachdem er 2016 an einer Kundgebung der Identitären in Judenburg teilgenommen hatte. Unvergessen auch, dass Zanger im Nationalrat rote Gewerkschafter als "Beidl" tituliert hat. Und: Der Jetzt-Abgeordneten Alma Zadic, nun bei den Grünen, rief er während einer Rede zum Verfassungsschutz hämisch zu: "Alma, bei mir bist Du sicher!"

Spielen derartige blaue Fauxpas nun sogar den grünen Sondierern in die Hände? Zu der neuen Strenge der ÖVP gegenüber Zangers Ausritten hält Politologe Peter Filzmaier fest: "Sein Verhalten hat jedenfalls keinen Neuigkeitswert." Je mehr sich aber in der FPÖ solche Fälle wieder häufen, desto stärker werde ÖVP-Chef Kurz, dem sein internationales Standing durchaus ein Anliegen sei, wohl bewusst, dass er sich bei einer Koalition mit den Grünen solche Rechtfertigungen im Ausland erspare.

Steirische Wahl steht an

Filzmaiers Kollege Hofer meint, dass auch die anstehende Wahl in der Steiermark eine Rolle spiele, warum die ÖVP derart auf Konfrontation mit der FPÖ gehe – eine ähnliche Unnachgiebigkeit legte etwa auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) vor dem dortigen Urnengang 2018 angesichts der Liederbuchaffäre rund um den FPÖ-Mann Udo Landbauer an den Tag.

Hofers Fazit lautet: "Die Befürworter von Türkis-Blau II in der ÖVP haben mit dem Fall Zanger einen Dämpfer abbekommen – auch, weil FPÖ-Chef Hofer in seiner Partei "nicht aufräumen kann oder will". Für eine allfällige Koalition ist aus der Sicht des Experten aber trotz alledem "das letzte Wort noch lange nicht gesprochen".

Das sieht man auch in der ÖVP so, auch wenn ein türkiser Stratege anmerkt, dass die jüngste Affäre "den Druck für türkis-grüne Verhandlungen erhöht". Freilich habe sich auch mit Ibiza-Gate und der Spesen-Causa "die Grenze verschoben, was man bei der FPÖ noch toleriert", und: Freilich hätte man sich auch mit Kritik an der FPÖ in aufrechter Koalition viel schwerer getan als heute.

Doch der ÖVP-Mann hält zu den Gesprächen mit Grün auch fest: Kurz werde sicher nichts von Türkis-Blau I zurücknehmen. Bedeute: Rütteln an Zwölfstundentag, SV-Träger-Reform und Sozialhilfe neu aussichtslos. (Nina Weißensteiner, 4.11.2019)