Edmund de Waal kam mit seiner Familie nach Wien.

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Der Hase mit den Bernsteinaugen ist Teil einer 264-teiligen Sammlung japanischer Miniaturfiguren. Die wenige Zentimeter großen Netsuke werden aus Elfenbein, Kastanien- oder Wurzelholz geschnitzt und in Japan an Kimonos befestigt. Der Hase mit den Bernsteinaugen ist auch der Titel des preisgekrönten Romans des Briten Edmund de Waal, der 2010 veröffentlicht wurde und in dem er seine Familiengeschichte aufarbeitet. Besagte Sammlung war ein Hochzeitsgeschenk an Edmunds Urgroßeltern Victor und Emmy Ephrussi, die im gleichlautenden Palais am Wiener Schottentor lebten, bis sie 1938 aufgrund ihrer jüdischen Herkunft vertrieben wurden. Die Sammlung blieb unversehrt, weil ein Dienstmädchen sie vor den Nationalsozialisten versteckt hatte.

Mit der Eröffnung einer neuen Ausstellung im Jüdischen Museum mit dem Titel Die Ephrussis. Eine Zeitreise kehrt der Hase und mit ihm 156 weitere Figürchen nach Wien zurück, zunächst als Leihgabe für zehn Jahre. Die restlichen Netsuke wurden versteigert, um mit dem Erlös Flüchtlinge zu unterstützen. Es ist auch das erste Mal seit 1938, dass die noch lebenden Mitglieder der Familie de Waal / Ephrussi vollzählig in Wien zugegen sind. Victor, der Vater von Edmund de Waal, ist 90 Jahre alt, er hat als Kind noch im Palais Ephrussi gespielt.

Ambivalentes Verhältnis

Edmund bezeichnete sein Verhältnis zu Wien als ambivalent. Dass das Jüdische Museum der Familie eine Ausstellung widmet, sei ein bedeutender Augenblick, sagt er dem STANDARD. Man habe sich dazu entschieden, das Familienarchiv just Österreich zur Verfügung zu stellen, weil eine Notwendigkeit da sei, Geschichten dieser Art in Wien zu verbreiten. De Waal spielt auf Vertreibung und Genozid an und dass man erneut beginnen müsse, deutlich zu machen, "was Schreckliches geschehen" sei.

Doch nicht nur als Autor ist de Waal, geboren 1964 in Nottingham, erfolgreich. Der Keramikkünstler, dessen Werke etwa in der Tate Britain oder im Kunsthistorischen Museum gezeigt wurden, ist für seine schlichten Formen bekannt, inspiriert von der Töpferei in Japan, wo er mehrere Jahre verbrachte. Für die Biennale in Venedig bespielte er heuer zwei Orte mit einer Ausstellung zum Thema Exil. Seine Familiengeschichte scheint ein ständiger Begleiter: Er richtete im ehemaligen jüdischen Ghetto in Venedig eine Bibliothek mit rund 2000 Werken von Autoren ein, die ihr Land verlassen mussten. (Rosa Winkler-Hermaden, 4.11.2019)