"Mutige Studenten" sind gefragt, die gegen "Genderregeln" in die Arena steigen.

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Der Verein Deutsche Sprache sucht "mutige Studenten!". Mit Flyern versuchte er zu Semesterbeginn an der Universität Greifswald und anderen deutschen Hochschulen, diese ausfindig zu machen. Wofür? Um gegen "rechtswidrige sprachpolizeiliche Genderregeln ihrer Universitäten vorzugehen, etwa weil eine nicht diesen Vorschriften entsprechende Seminar- oder Abschlussarbeit schlechter benotet oder zurückgewiesen worden ist".

Ob es diese "rechtswidrigen Genderregeln" überhaupt gibt? Da ist sich der Verein selbst nicht sicher. Dessen Geschäftsführer Holger Klatte sagte letzte Woche zur "Süddeutschen Zeitung", immer wieder würden sich "Studenten" an den Verein wenden, die sich durchs "Gendern gegängelt" fühlten. Daher möchte der Verein "gerne rechtlich klären lassen, ob Dozenten eine solche Kunstsprache zur Pflicht für ihre Studenten machen können".

Den großen beispielhaften Fall für diese maßlose Ungerechtigkeit gibt es zwar noch nicht, aber deshalb will man ihn jetzt eben via Flyer finden. Er muss doch irgendwo sein, der große Präzedenzfall unter den "mutigen Studenten". Obwohl, unter dem Suchaufruf und der Aufforderung "Klagen Sie gegen ungerechte Noten! Wir helfen Ihnen!" werden dann doch "Studenten und Studentinnen" gesucht. Wäre ja blöd, wenn sich dann nur Studenten melden, im Titel sind die "Studentinnen" aber offenbar mitgemeint – ja, es ist etwas kompliziert.

Der Flyer ist auch auf der Website des Vereins Deutsche Sprache abgebildet – gesucht sind "mutige Studenten".
Foto: Screenshot Verein Deutscher Sprache / Der STANDARD

Der Verein möchte Studierende vor Gericht mit Prozesskostenhilfe unterstützen. Dabei wissen die von der "Süddeutschen" befragten deutschen DozentInnen nicht so recht, wovon der Verein da eigentlich spricht. Es gebe keine "Genderregeln", die festlegten, dass man für eine wissenschaftliche Arbeit nur wegen einer ungenauen oder keiner gendergerechten Schreibweise eine schlechte Note bekommt. Auch in Österreich versucht etwa der Ring Freiheitlicher Studenten immer wieder, Studierende wegen angeblicher Sprachpolizei zu "sensibilisieren".

Diese zunehmend aggressive Vorgehensweise gegen alles, was mit sprachlicher Gleichstellung zusammenhängt, hat aber durchaus etwas Positives. Sie verdankt sich auch der sprachlichen Entwicklung der letzten Jahre: Wie gesprochen und geschrieben wird, ob sich etwas durchsetzt oder nicht – das entscheidet der Gebrauch von Sprache. Und offenbar finden es immer mehr Menschen einfach nicht plausibel, Frauen mit dem Maskulinum anzusprechen. Und ja, inzwischen gibt es auch einen Haufen Leute, die mit Sternchen oder Unterstrich ausdrücken wollen, dass nicht alle sich als Mann oder Frau begreifen. Richtig, Sternchen und Unterstrich sind eine "neue Mode", eine Erfindung! Was soll das also? Nun, das gilt auch für jedes andere sprachliche Zeichen. Sie sind von Menschen gemacht, deshalb gibt es sie – und je mehr Menschen der Meinung sind, dass diese neuen Zeichen brauchbar sind, desto öfter begegnen wir ihnen. Es ist also ein demokratischer Prozess.

Kritik ist kein "Terror"

Viele selbsternannte Sprachbewahrer wollen diesen Prozess nicht, sondern sie wollen in eine Zeit zurück, in der alles noch deutlich männlicher und auch rassistischer war – dafür wird ihnen allerdings weder eine Geldstrafe abverlangt noch werden sie eingesperrt, wie sie das gern mit der ständigen Wiederholung von Begriffen wie "Zensur" oder "PC-Terror" suggerieren. Sie versuchen mit den immergleichen Wiederholungen Bilder von einem feministischen Sprachregime zu schaffen, um sich so als widerständige KämpferInnen gegen dieses Regime zu inszenieren. Dabei ist es viel unspektakulärer: Sie werden lediglich hin und wieder kritisiert – wie auch jene, die ihr Schreiben und Reden progressiv gestalten.

Nur logisch

Diese Strategien der Diffamierung kennt man eigentlich schon zur Genüge. Aber Studierende aufzufordern, gegen ihre Hochschule zu klagen, das hat noch einmal eine andere Qualität. Es gibt sicher immer wieder unfaire oder zu strenge Beurteilungen von wissenschaftlichen Arbeiten – wegen Stils, kleiner Zitationsfehler oder anderer Ungenauigkeiten. Genau in die letzte Kategorie kann auch fallen, wenn man in einer wissenschaftlichen Arbeit das Maskulinum verwendet – obwohl nicht nur das männliche Geschlecht gemeint ist. 2014 gab es in Österreich deshalb einige Aufregung, weil eine Fachhochschule in Wien bei Nichtverwendung gendergerechter Sprache bei 100 Punkten einen Punkteabzug von zehn Punkten vorsah. Zehn Punkte. Von 100. An anderen Unis ist geschlechtergerechte Sprache in den Satzungen verankert, die genaue Umsetzung bei wissenschaftlichen Arbeiten ist aber nicht genau geregelt und unterschiedlich gestaltbar.

Doch wie auch immer man das handhaben will, in einer soziologischen Arbeit und in einem Paper von MedizinerInnen beispielsweise müssen personenbezogene Bezeichnungen schlicht exakt sein. Es muss explizit ausformuliert sein, von wem man gerade spricht – "mitmeinen" geht da nun einmal nicht. Ein Abzug von ein paar Punkten, wenn sich Lehrende nicht auskennen, von wem in einer Arbeit gerade die Rede ist, ist vertretbar – und keine "rechtswidrige sprachpolizeiliche Genderregel". (Beate Hausbichler, 6.11.2019)