Winshluss (im Bild "Pinocchio"), Joe Sacco, Chris Ware, Guy Delisle, Emily Caroll: In den nächsten Wochen trudeln Top-Stars aus der Welt der Comics und Graphic Novels in Wien ein.
Foto: Winshluss/Les Requins Mareaux

Der Begriff "Graphic Novel" ärgert ihn, Sprechblasen langweilen ihn. Dinge, die er am meisten verehrt, massakriert er am liebsten. Winshluss, mit bürgerlichem Namen Vincent Paronnaud, hat schon einiges massakriert, am meisterhaftesten Pinocchio. In seiner opulenten Neuinterpretation schickt er den zu einem Roboter mutierten Kerl auf eine albtraumhafte Reise durch eine von Zerstörung und Zynismus gezeichnete Welt, und treibt dabei die Grausamkeit des Originals herrlich auf die Spitze.

Der preisgekrönte französische Comickünstler (zuletzt auf Deutsch "In God we Trust") und Regisseur ("Persepolis") steht für ein innovatives Verständnis des Mediums, das sich galant zwischen Kunst, Literatur und Popkultur bewegt. Er ist einer der – leider durchwegs männlichen – Gäste der Festivals der frankophonen Comics, das heuer wieder auf der Buch Wien Unterschlupf findet.

Nach der Eröffnung des Festivals im Institut français am 9. November wartet am 10. November in der Messe Wien mit Thomas Ott, dem Schweizer Doyen der Schabkartontechnik, ein anderer Virtuose des düster-makabren Humors auf – der, ebenso wie Winshluss, ganz ohne Worte auskommt.

Neben einer Reihe weiterer Autoren aus dem traditionell comicaffinen frankophonen Raum wird mit Guy Delisle auch ein zugänglicherer Star zugegen sein. Der Kanadier wurde mit seinen autobiografisch-journalistischen (und dabei sehr unterhaltsamen) Bänden wie "Shenzen" über die Trickfilmproduktion am Fließband in der chinesischen Stadt oder "Pjöngjang" über seine Reise in die nordkoreanische Hauptstadt bekannt.

Gesprengte Genregrenzen

Bereits am 8. November stellt der in Kassel lebende Tiroler Lukas Kummer mit "Im Keller" den formidablen zweiten Teil seiner Adaption von Thomas Bernhards autobiografischer Schriften vor.

Der Wiener Comic-Herbst hat noch mehr außerordentliche Namen parat: Bei den Erich Fried-Tagen, die heuer unter dem Titel "Keine/Angst" im Literaturhaus abgehalten werden, reisen zum Graphic Novel-Schwerpunkt am 30. November zwei der bedeutendsten zeitgenössischen Comic-Künstler aus den USA an.

Joe Sacco ("Palastine", "Safe Area Goražde"), der als Erfinder der Comicreportage gilt, wird u.a. über sein aktuelles Projekt "Paying the Land" (erscheint 2020) erzählen, wo er tiefsitzende Konflikt im indigenen Nordamerika aufrollt. Daneben wird Chris Ware, der wie kein anderer Comictradition und -avantgarde verbindet und dabei jegliche Genregrenzen sprengt, sein neuestes Werk "Rusty Brown" präsentieren. Ebenfalls erstmals in Österreich sind die deutsche Endzeit-Autorin Olivia Vieweg und Emily Caroll, kanadische Queen des Horror-Comics.

Am Wochenende zuvor kann man sich schon aufwärmen bei der Vienna Comic Con in der Messe Wien, wo im Gewühl u.a. Mega -Star Frank Miller ("Sin City") zu finden sein wird. (Karin Krichmayr, 6.11.2019)