So wertvoll wie frischer Lorbeer, vorzüglich geeignet, um einen Grazer Dichter vor der ganzen Welt zu erhöhen: Spaghetti Carbonara.

Foto: Andrew Medichini

Es häufen sich dieser Tage Stimmen, die unserem Literaturnobelpreisträger seine Würde, obwohl sie ihm offiziell noch gar nicht zuteil geworden ist, schon wieder wegnehmen wollen. Das ist umso trauriger, als Peter Handke sich bei seinem Pariser Schneider bestimmt schon einen Frack hat anmessen lassen. Immerhin muss er, der Widerspenstige, sich am 10. Dezember in Stockholm vor Schwedens Staatsoberhaupt tief verneigen. Man darf gespannt sein, ob Handke nach Entgegennahme der Urkunde König Carl Gustav auffordern wird, dieser solle möglichst unauffällig – und ohne Handke unnötig zu reizen – "verschwinden".

Mir, einem sensiblen Babyboomer, stand relativ frühzeitig klar vor Augen, dass Dichter sich nicht wie gewöhnliche Menschen betragen. Mit fassungslosem Staunen las ich zum Beispiel, dass Franz Kafka, einer, der immerhin einiges von Käfern verstand, sich mehrmals mit ein und derselben Frau verlobte, aber nur, um nicht mit ihr zusammensein zu müssen. Das leuchtete mir zwar nicht unbedingt ein, schien aber eine ausreichende Kostprobe von dichterischem Aberwitz.

Der Löwenmut der Dichter

Später – ich befleißigte mich bereits der Niederschrift eigener Gedichte – lernte ich den Löwenmut zu schätzen, der unsere Pegasus-Jünger, ermutigt durch die Liberalisierungsschübe der Kreisky-Ära, vor allen anderen auszeichnete. So blickte ich auf einer Schriftstellertagung voller Bewunderung auf ein Grazer Dramatikergenie, das im Zuge des Diners zügig den Tisch erkletterte und das eigene Haupt, auch weil kein Lorbeer zur Hand war, mit einem Nest aus Spaghetti Carbonara krönte.

Erst einmal in Fahrt gekommen, gelobte der frisch Benudelte obendrein, die bei Tisch anwesenden Damen mit Proben seiner Manneskraft möglichst zeitnah in Erstaunen zu versetzen. So funktioniert poetische Übertragung: Der Dichter kam nicht vom Hundertsten zum Tausendsten. Er schloss bloß von der einen Nudel – der dampfenden auf dem Kopf – auf die andere, unsichtbare. Die anwesenden Kolleginnen dankten dem großen Mann recht herzlich für die großzügige In-Aussicht-Stellung; zogen es jedoch vor, den Abend anderweitig zu beschließen. Ernstlich gram war diesem Giganten der Dichtkunst niemand. (Ronald Pohl, 6.11.2019)