Auch unter dem Parteichef Norbert Hofer kommt es ständig zu sogenannten "Einzelfällen."

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Sie begleiteten die türkis-blaue Regierung und haben den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) "viel Kraft gekostet", wie er nach dem Platzen der Koalition sagte. Schließlich sorgten die sogenannten Einzelfälle von FPÖ-Funktionären beinahe wöchentlich für Schlagzeilen und scharfe Kritik. Diesen Takt haben die Freiheitlichen beibehalten. Seit Norbert Hofer am 19. Mai das Ruder in der Partei übernommen hat, gab es mindestens 19 neue als rechtsextrem oder rassistisch bezeichnete Vorfälle. Das ergaben STANDARD-Recherchen.

Aktuell ist es die Liederbuchaffäre um den freiheitlichen Nationalratsabgeordneten Wolfgang Zanger. Doch auch andere hohe Funktionäre sorgten für handfeste Skandale. Etwa als die Wiener Stadträtin Ursula Stenzel wenige Tage vor der Nationalratswahl bei einem Fackelzug mitmarschierte, der maßgeblich von Aktivisten der Identitären organisiert wurde.

Ursula Stenzel marschierte im September mit Rechtsextremen.
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Gleich unmittelbar nach dem Ende der türkis-blauen Regierung sorgte Martin Graf für Aufregung. Der Politiker, der schon oft wegen seiner rechten Verbindungen in der Kritik stand, wählte in einem Facebook-Posting eine eigenwillige Ausdrucksweise. "Wer heute den Stab über unseren Heinz-Christian Strache bricht, hat weder Ehre noch Treue und schon gar nicht politisches Gespür im Leib", schrieb er. Eine Wortwahl, die an den SS-Wahlspruch "Unsere Ehre heißt Treue" erinnerte.

Foto mit Hitlergruß-Pose

Die Person Graf war es auch, die den jüdischen Wiener FPÖ-Abgeordneten David Lasar bewegte, der Partei den Rücken zu kehren. Es komme für ihn nicht infrage, hinter dem "rechtsextremen Martin Graf" zu kandidieren, richtete er via "Kronen Zeitung" aus. Als Graf auch noch als Vertreter der Freiheitlichen in den Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus entsandt wurde, trat Lasar aus dem Parlamentsklub aus.

Der Kärntner FPÖ-Obmann Gernot Darmann weckte Ende August mit dem Satz "Drogendealer sollen Zellen mit Zahnbürste putzen" Erinnerungen an unselige Zeiten. Kritiker fühlten sich an den NS-Terror nach dem sogenannten "Anschluss" 1938 erinnert, als Juden gezwungen wurden, Straßen und Gehsteige mit Zahnbürsten zu reinigen. Zeitgleich meinte der oberösterreichische FPÖ-Landesrat Wolfgang Klinger in einem Interview, dass er "Mischkulturen nicht vorteilhaft" finde.

Unklarer Umgang mit "Einzelfällen"

Eine klare Linie im Umgang mit den "Einzelfällen" in seiner Partei hat Hofer bisher nicht erkennen lassen. So warf er einen Funktionär unmittelbar vor der Nationalratswahl aus der Partei, weil dieser vor fünf Jahren am 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers, "Herzlichen Glückwunsch an jene, die heute Geburtstag haben" auf Facebook postete, während der Tullner Bezirksparteiobmann Andreas Bors für die Freiheitlichen für den Nationalrat kandidieren durfte. Bors wurde vor fünf Jahren österreichweit bekannt, als ein Foto von ihm öffentlich wurde, auf dem er und andere Männer in Hitlergruß-Pose zu sehen sind.

In der aktuellen Liederbuchaffäre sieht Hofer keinen Grund einzuschreiten, obwohl das Buch, das Zanger nicht wegwerfen wollte, Textzeilen wie "Heil Hitler, ihr alten Germanen" und antisemitische Beleidigungen enthält.

Freiheitliche laden für kommenden Samstag zum Nowotny-Gedenken. Das Foto zeigt die Veranstaltung im Jahr 2007.

Spannend wird jedenfalls die Gedenkveranstaltung für den von den Nazis als "Kriegsheld" verehrten Kampfflieger Walter Nowotny am kommenden Samstag. Das Gedenken auf dem Wiener Zentralfriedhof wird von Freiheitlichen organisiert, seit Jahren nehmen daran auch Neonazis und Burschenschafter teil.

Unvollständige Liste der jüngsten Einzelfälle

20.5.2019 Der FPÖ-Abgeordnete Martin Graf fordert "Ehre" und "Treue" für Heinz-Christian Strache.

24.6.2019 Die FPÖ Tulln setzt Andreas Bors auf ihre Kandidatenliste für die Nationalratswahl. Im Jahr 2014 wurde ein Foto veröffentlicht, das Bors in Hitlergruß-Pose zeigt. Deshalb war er 2017 gezwungen, auf sein Bundesratsmandat zu verzichten.

Juni 2019 Die FPÖ-nahe Wochenzeitung "Zur Zeit" verunglimpft den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, als "Ayatollah". Hintergrund ist der Protest der Kultusgemeinde gegen die Entsendung von Martin Graf in das Kuratorium des Nationalfonds für die NS-Opfer.

31.7.2019 Rechte und rechtsextreme Medien haben von FPÖ-Ministern der aufgelösten Bundesregierung und von oberösterreichischen FPÖ-Politikern mindestens 116.000 Euro aus Steuergeld erhalten. Führend war dabei Verkehrsminister Norbert Hofer.

1.9.2019 Der Kärntner FPÖ-Chef Gernot Darmann fordert, dass Drogendealer in Gefängnissen ihre Zellen "mit der Zahnbürste" putzen sollen.

1.9.2019 Der oberösterreichische FPÖ-Landesrat Wolfgang Klinger erklärt, dass er "Mischkulturen nicht vorteilhaft" findet.

2.9.2019 In der Facebook-Gruppe "Freiheitliches Forum" sind FPÖ-Politiker gemeinsam mit Holocaust-Leugnern aktiv.

7.9.2019 Die Stadträtin Ursula Stenzel marschiert mit Identitären durch die Wiener Innenstadt.

Wolfgang Zanger sorgte für den jüngsten "Einzelfall".

30.10.2019 Ein Burschenschafter-Liederbuch mit "Heil Hitler"-Passagen bringt den steirischen FPÖ-Abgeordneten Wolfgang Zanger in Bedrängnis. (Markus Sulzbacher, 5.11.2019)

Update 5.11., 20 Uhr: Der Pressesprecher des Kärntner FPÖ-Obmanns Gernot Darmann legt auf die Feststellung Wert, dass "Darmann die NS-Schreckensherrschaft immer aus tiefster Überzeugung abgelehnt hat" und das im Artikel erwähnte Zitat im Zuge einer Pressekonferenz über die ausufernde Drogenproblematik in Kärnten gefallen sei.