Zwei Unberechenbare unter sich: Donald Trump (re.) hat trotz der schlechten US-Beziehung zu Russland nie einen Hehl aus seiner Bewunderung für Wladimir Putin (li.) gemacht.

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Es soll jener Moment gewesen sein, in dem Donald Trump endgültig die Nerven verloren hat. Die Diskussion über die Folgen seiner Entscheidung, die amerikanischen Soldaten aus Syrien abzuziehen, lief schon längst überhitzt, als die ranghöchste Demokratin im US-Kongress, Nancy Pelosi, sich von ihrem Sitz erhob, den Zeigefinger ausgestreckt. "All Ihre Wege führen immer zu Putin", warf sie dem Präsidenten an den Kopf. Der Vorwurf, der Trump Mitte Oktober zu einer gewaltigen Schimpftirade veranlasste, steht schon seit geraumer Zeit im Raum.

Man muss kein Gegner des Präsidenten sein, um zu konstatieren: Losgelöst von der Frage, ob es Trumps Intention entspricht oder nicht, stellen sich tatsächlich viele seiner Entscheidungen für Putin als überaus günstig heraus. Die von Trump initiierte Schwächung der transatlantischen Beziehung liegt ebenso in Putins ureigenem Interesse wie die Loslösung der USA von internationalen Abkommen und Institutionen oder die nationalistisch und protektionistisch motivierten Schwächungsversuche der EU – siehe Trumps jüngsten Pro-Brexit-Vorstoß. Auf der persönlichen Ebene legt Trump ein Fasziniertsein vom russischen Präsidenten an den Tag, über den er sich mehrmals wohlwollend geäußert hat.

Persönlich vs. offiziell

Und auch Putin hat für den Mann im Weißen Haus nur milde Worte ("brillant", "zweifellos talentiert") übrig. Der russische Politikwissenschafter Andrej Zygankow führt in einer Analyse für das renommierte russische Diskussionsforum Waldai-Klub die "psychologische Kompatibilität" der beiden Staatschefs als Grundlage für diese russisch-amerikanische Bromance an: Beide sind ähnlich autoritäre Führungspersönlichkeiten. Nur wird die russische Außenpolitik vom Kreml bestimmt, während das politische System der USA dem Präsidenten gewisse Grenzen setzt. Diese Regeln galten zumindest für die ersten beiden Jahre seiner Amtszeit. In der Frage der russischen Sanktionen wusste der Präsident etwa den Kongress gegen sich. Dieser verschärfte 2017 die Strafmaßnahmen und nahm dem Präsidenten das Recht, die geltenden Sanktionen im Alleingang zu lockern.

"Trümmer" beseitigen

Auch auf diplomatischer Ebene sind die Spannungen nach einer Reihe von Ausweisungen von Botschaftspersonal eskaliert. So mag dem starken Mann in Washington kein schlechtes Wort über seinen Widerpart in Moskau über die Lippen kommen – um die russisch-amerikanischen Beziehungen ist es in der Realität schlecht bestellt. Das liegt auch daran, dass Trumps Außenpolitik generell lange jenen Bereich darstellte, in dem der oft erratisch auftretende Präsident trotz all seiner undiplomatischen Tweets die meiste Kontinuität mit seinen Vorgängern aufwies.

So stellt es auch kein Trump'sches Alleinstellungsmerkmal dar, dass der 45. Präsident der Vereinigten Staaten das Verhältnis zu Russland gerne auf eine bessere Basis stellen möchte. Den Versuch hat auch schon sein demokratischer Vorgänger Barack Obama gestartet.

Dessen Regierung scheiterte damit allerdings ebenso wie die aktuell amtierende. Dass das Verhältnis zwischen den beiden ehemaligen Erzfeinden unter Trump eine noch schwierigere Phase durchlebt als unter Obama, stellten die Außenminister beider Länder schon mehrmals fest: Auf einem "Tiefpunkt" befänden sie sich, befanden sowohl der Russe Sergej Lawrow als auch sein zwischenzeitliches amerikanisches Pendant, Rex Tillerson. Tillerson, ein in seiner vorherigen Funktion durchaus Russland-affiner Geschäftsmann, verlor seinen Job, einen Tag nachdem er Russland als "verantwortungslose Macht" und "für Instabilität auf der Welt" verantwortlich sowie den Giftanschlag auf den ehemaligen russischen Spion Sergei Skripal als "wahrhaft ungeheure Tat" Moskaus bezeichnet hatte.

An seinen Posten setzte Trump Mike Pompeo, der im vergangenen Mai eine Charmeoffensive in Russland antrat. Diese löste bei Lawrow seinen eigenen Worten zufolge "einen gewissen Optimismus" aus, dass die "Trümmer im Verhältnis" beider Seiten "weggeräumt" werden könnten. Darunter fielen zu diesem Zeitpunkt die amerikanischen Vorwürfe rund um die russische Beeinflussung der Präsidentschaftswahlen in den USA im Jahr 2016, die gegenseitigen Anschuldigungen über Verstöße bei der atomaren Abrüstung, aber auch die unterschiedlichen Ansichten zu einer Reihe von internationalen Krisenherden, allen voran im Iran, in der Ukraine und in Syrien.

Trumps Alleingänge

Einige "Trümmer" ließen sich seither tatsächlich beseitigen. Denn seit gut einem Jahr hört der US-Präsident zusehends auf sein eigenes Bauchgefühl statt auf Berater. Mit dem Effekt, dass Trumps private Einstellungen verstärkt in die Außenpolitik der USA einfließen – und sich am Ende Russland als größter Profiteur herausstellt.

Trumps Außenpolitik sei ein "Segen für Putin", bilanziert der ehemalige US-Botschafter in Russland Michael McFaul in einem Beitrag im Außenpolitikmagazin Foreign Affairs.

In Syrien kündigte der Präsident Mitte Oktober entgegen der Meinung der gesamten Republikanischen Partei den Rückzug seiner Soldaten aus Syrien an, womit er Putin ein doppeltes Geschenk machte: Er etablierte Russland, den Verbündeten Syriens, endgültig als Großmacht im Nahen Osten und düpierte neben den bislang in Syrien mit den USA verbündeten Kurden auch noch die Nato, den militärischen Gegenspieler Moskaus. Auch die derzeit laufenden Ermittlungen im Repräsentantenhaus gegen Trump, an deren Ende ein Amtsenthebungsverfahren stehen könnte, wurzeln in einem Alleingang des Präsidenten, der ebenfalls mit Russland in Zusammenhang steht.

Die Ukraine findet sich in innenpolitischen Machtspielen wieder, da Trumps Umgebung die längst widerlegte Verschwörungstheorie lanciert, die E-Mail-Server der Demokraten seien vor der Wahl 2016 nicht von Russen, sondern von der Ukraine aus gehackt worden. Dass die Militärhilfe der USA an die Ukraine plötzlich zur Debatte stand, geht auf die Putin-freundlichen Berater zurück, deren Einfluss nach diversen personellen Rochaden im Weißen Haus zugenommen hat. So schlug Trumps anfängliche Sympathie für Wolodymyr Selenskyj in wenigen Tagen in Abneigung um. Der Grund für seinen Sinneswandel lag laut Medienberichten in dem Druck, den allen voran Putin höchstpersönlich in einigen Telefonaten auf Trump ausübte.

Zuletzt war es erneut Nancy Pelosi, die Trump wegen Russland in die Kritik nahm. Entgegen den üblichen Usancen hatte er neben den ranghöchsten Republikanern nicht auch die demokratische Seite über die Tötung des Chefs der Terrorgruppe "Islamischer Staat", Abu Bakr al-Baghdadi, vorab informiert – Putin allerdings schon. Er war es auch, dem Trump anschließend als Erstes dankte. (Anna Giulia Fink, 6.11.2019)