Die Viennale ist bei Filmemachern ungebrochen beliebt: Direktorin Eva Sangiorgi mit dem französischen Regisseur Betrand Bonello, der "Zombi Child" präsentierte.

Foto: Viennale/Tuma

Das zweite Jahr ist in diesem Fall das erste richtige Jahr. War die Viennale von 2018 unter der neuen Direktion von Eva Sangiorgi aufgrund des kurzfristigen Übergangs noch etwas unter Zeitdruck erstellt worden, durfte man heuer auf ein Festival gespannt sein, welches die Handschrift der Italienerin noch deutlicher zum Vorschein bringen würde.

Unabhängig davon gab es bereits im September einen Vertrauensvorschuss vonseiten der Politik: Sangiorgis Vertrag wurde – gleichsam prospektiv, ohne dass es einen konkreten Anlass gab – von der Stadt Wien um weitere fünf Jahre bis 2026 verlängert. Man kann das als Zeichen werten, dass man die als sehr ehrgeizig geltende Italienerin an das Festival binden will.

Nach dem gestrigen Finale im Gartenbaukino, das mit Pietro Marcellos Jack-London-Adaption Martin Eden begangen wurde, lässt sich sagen: Es war ein dichtes und abwechslungsreiches Festival, dem auch das Publikum treu geblieben ist. Die Viennale mag von der Strahlkraft eines Großevents profitieren – doch Sangiorgi biedert sich nicht mit Populismus an. Ein anspruchsvolles Angebot an Filmen wurde mit einer fein austarierten Dramaturgie stimmig über zwei Wochen verteilt.

Weibliche Tributes als Highlight

Vor allem in den Spezialprogrammen gab es kuratorische Verdichtungen. Mit der Werkschau der deutschen Filmemacherin Angela Schanelec, die bisher in Wien bestenfalls stiefmütterlich behandelt wurde, hat man das Publikum endlich mit einer wichtigen Künstlerin des Autorenkinos vertraut gemacht. Auch der Tribute an die italienische Regisseurin Cecilia Mangini, den die 92-Jährige mit viel Freude an der Konversation begleitete, sorgte für erinnerungswürdige Momente.

Überhaupt war es weibliches Filmschaffen, das von Tag zu Tag stärker in den Mittelpunkt rückte, ohne dass man darum viel Aufhebens machte. Es gab Besucher, die von der (Wieder-)Begegnung mit Johanna Dohnal in Sabine Derflingers Doku schwärmten. Bedeutende Filme von Regisseurinnen wie Mati Diop, Rebecca Zlotowski oder Jessica Hausner waren quer durchs Hauptsegment verteilt. Erfreulich hoch war auch die Anzahl der Gäste.

"Space Dogs" von Elsa Kremser und Levin Peter wurde auf der Viennale gleich mit zwei Preisen ausgezeichnet.
Foto: Viennale

Dass bisweilen dennoch ein Bubble-Gefühl entsteht, weil im internationalen Festivalzirkus gerne dieselben Namen weitergereicht werden, liegt an einer Globalisierung des Filmkuratorenwesens. Da und dort würde man sich klarere Bekenntnisse zur Abweichung wünschen. Gerade im Bereich des politischen, auf rezente Krisen reagierenden (Dokumentar-)Films, der einem Festival auch gesellschaftliche Aktualität verleiht, gab es weniger zu sehen – Filme wie Lech Kowalskis On va tout péter oder Alexanders Nanaus Collective fehlten. Es oblag dem Filmmuseum, mit der hoch verdienten Partisanenfilmreihe dieses Terrain mit historischen Beispielen zu besetzen.

Öffnung nach außen

Stärkeren Einfluss wünscht man Sangiorgi in Bezug auf die Selbstdarstellung des Festivals. Da macht sich die Wiener Eigenart, gern auf alten Schienen zu fahren, besonders bemerkbar. Gut, dass auf die Galavorstellungen weitgehend verzichtet wurde. Auch mit den Regiegesprächen nach außen zu treten war ein richtiger Schritt aus der Exklusivität. Sangiorgi hat das Festivals geöffnet, aber da geht noch mehr.

Bei den Preisen gab es dieses Jahr einen Doppelsieger: Space Dogs, Elsa Kremsers und Levin Peters Film über Straßenhunde in Russland, wurde mit dem Wiener Filmpreis und gemeinsam mit Friedl vom Gröllers L'avenir? De F.V.G.? mit dem Preis der Erste Bank prämiert. Sebastian Brameshubers Bewegungen eines nahen Bergs bekam den Spezialpreis der Jury. Dylda (Beanpole) vom russischen Regie-Jungstar Kantemir Balagov erhielt den Preis der STANDARD-Leserjury – hiermit sei dieser starke Film einem Verleiher ans Herz gelegt. (Dominik Kamalzadeh, 7.11.2019)