"Krone"-Kolumnist Michael Jeannée.

Foto: Kronen Zeitung

Die erste Runde im Wiener Landesgericht ist geschlagen. Privatkläger war "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk, beklagt waren der "Krone"-Kolumnist Michael Jeannée samt seiner Dienstgeberin bzw. deren Print- und Online-GmbHs. Der Richter verlor sich wortreich in exzessiven Sprachgebilden der Jurisprudenz – DER STANDARD berichtete.

Zur Klage war es gekommen, weil der seit Jahrzehnten in der "Kronen Zeitung" publizierende Kolumnist Jeannée den "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk frontal angegriffen hatte. Die herabwürdigenden Bezeichnungen in seiner in diesem Jahr am 11. September – auch Nine Eleven genannt – publizierten Kolumne reichten von "gefährlicher Diffamierer" und "Meister zwielichtiger Tricks" über "Schmutzkübel- und Anpatzerchef", "skrupelloser Intrigant" und "verderbte Figur" bis hin zu "Getriebener, Selbstverliebter, Möchtegern-Star."

Starker Tobak, möchte man meinen, ein ganzer Misthaufen übelster Nachreden und offenbar so richtig aus dem Vollen einer verbalen Senkgrube geschöpft. Wie gesagt, das möchte man als juristisch ungebildeter Mensch meinen.

"Ausdruck der Bewertung durch den Angeklagten"

Der Richter sah das differenzierter. Subtil argumentiert er, der Leser verstehe, "dass es sich hierbei nicht um Tatsachenbehauptungen bezüglich Dr. Klenk handelt, sondern um kritische Werturteile als Ausdruck der Bewertung durch den Angeklagten", Michael Jeannée. Aus Sicht des Richters handelte es sich bei der Wortwahl des "Krone"-Kolumnisten nicht um Wertungsexzesse, sondern eben nur um besagte kritische Werturteile gegenüber Florian Klenk als "public figure".

Auch die Leserschaft könne dies problemlos erkennen und verstehe, dass "Jeannée regelmäßig und auch gegenständlich eine – scharfe, emotionale – Bewertung und Ausdruck von (Miss-)Achtung der bedachten Person gegenüber vornimmt". Auch sei der Leserschaft völlig klar, dass die beanstandete Septemberkolumne im Zusammenhang mit der "Falter"-Berichterstattung über die Wahlkampfkostenaffäre der ÖVP steht.

Heißt das also, dass es sich bei Jeannées mehr als deftigen Charakterisierungen um keine üble Nachrede, keine Herabwürdigung, keine Beleidigung, keine ehrbeschneidende Diffamierung, kein Medieninhaltsdelikt, sondern nur um persönliche, kritische Werturteile handelt?

Ein dumpfer Eindruck

Sieben Seiten umfasst der richterliche Beschluss. Klar verständlich und nachvollziehbar ist allenfalls der letzte Satz: Der Antrag auf Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren sei abzuweisen. Der Hauptteil ist inhaltlich für Nichtjuristen nur mit Mühe und erst nach mehrfachem Lesen zu verstehen. Eines jedenfalls bleibt: der dumpfe Eindruck, dass der Richter zwar leicht genant, aber doch um Verständnis bemüht den Herrn Jeannée in Schutz nimmt. Warum eigentlich?

Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek kommentiert den Beschluss des Landesgerichts in einem Schreiben an Klenk auf ihre Weise: Ihre Conclusio ist wie immer sehr klug und provokant auf den Punkt gebracht. Nachzulesen auf Florian Klenks Tweet vom 6. November.

"Ich habe mit der Juristensprache die größten Schwierigkeiten, aber das hier schlägt alles. Nach meinem Laienverstand kann dieser Beschluss niemals halten. Ich verstehe das nicht. Dann kann jeder alles sagen? Dann ist es ja auch kein Wertungsexzess, wenn man einen Juden Saujud nennt, weil eh jeder weiß, dass die Juden Schweine sind? Wenn das von einem bekannten Antisemiten kommt, dann ist das kein Werturteil, weil eh jeder weiß, dass er so denkt, und man es daher richtig einordnen kann? Wahrscheinlich hab ich aber alles wieder mal falsch verstanden. Herzlich, e.j."-

Damit ist alles gesagt. Nur eines ist dem noch hinzuzufügen: Sollte es wieder salonfähig werden, dass unliebsame Kollegen, Nachbarn, Menschen straflos diffamiert und vernadert werden können, beginnt Rechtsstaatlichkeit auf tönernen Füßen zu stehen. Man kann nicht oft genug darauf hinweisen: Pressefreiheit und Meinungsfreiheit orientieren sich an demokratiepolitischen Maximen. Keinesfalls sind Hetze und Diskreditierung von Journalisten gegenüber Kollegen mit diesen Menschenrechten zu verwechseln und schönzuschreiben. Im Gegenteil.

Das hatten wir in den 30er- und 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts schon zu Genüge. Bekanntermaßen mit verheerenden Folgen. (Rubina Möhring, 8.11.2019)