Das Forum Romanum, das Herzstück des Alten Rom. Analysen alter DNA bringen neues Licht ins antike Völkergemisch der Stadt – und seinen Veränderungen über die Zeit.
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Rom war ziemlich sicher die erste Millionenstadt der Geschichte. Die magische Grenze von einer Million Einwohnern dürfte die Stadt in der Kaiserzeit erreicht haben, also zu Beginn unserer Zeitrechnung. Damals war Rom Hauptstadt eines riesigen Imperiums, das von Nordafrika bis England und weit in den Nahen Osten reichte.

Entsprechend bunt war das Völkergemisch, das damals in den Straßen Roms anzutreffen war – nicht viel anders als in New York oder London heute. "Die Vielfalt war überwältigend", bestätigt Ron Pinhasi, Professor für Evolutionäre Anthropologie an der Uni Wien und Mitautor einer großangelegten Studie, die erstmals mit harten genetischen Fakten die Entwicklung der Bevölkerung Roms rekonstruierte.

127 Proben aus 12.000 Jahren

Für die Untersuchung, die im Fachblatt "Science" erschien, sammelte das Forscherteam rund um Pinhasi, Jonathan Pritchard (Stanford University) und Alfredo Coppa (Universität La Sapienza in Rom) insgesamt 127 DNA-Proben von 29 Fundstätten in und um Rom, die eine Zeitspanne von 12.000 Jahren bis ins Mittelalter abdecken.

Luftbildaufnahme des Palazzo della Cancelleria von oben. Der Friedhof ist im Haupthof errichtet worden und war eine der 29 Fundstätten der alten DNA.
Foto: Michaela Lucci

Die DNA-Analysen der ältesten Proben zeigen ein ähnliches Bild wie in Europa: Vor ungefähr 8.000 Jahren gab es in Rom und Umgebung einen Zustrom von Bauern, die hauptsächlich von frühgeschichtlich landwirtschaftlich tätigen Bevölkerungsgruppen in der Türkei und dem Iran abstammten.

Frühe genetische Diversität

Zur Zeit der Gründung Roms, die auf das Jahr 753 vor unserer Zeitrechnung datiert wird, war die Bevölkerung der Stadt genetisch bereits sehr vielfältig. "Die untersuchten Individuen hatten Vorfahren in Nordafrika, dem Nahen Osten und dem europäischen Mittelmeerraum", sagt Pinhasi, für den es überraschend war, schon zu dieser Zeit auf eine so große Diversität zu stoßen.

Mit dem dramatischen Wachstum der Stadt vor rund 2.000 Jahren kamen noch viel mehr Migranten in die Stadt, was durch die gleichzeitige Ausdehnung des Reichs, durch die neu entstehenden Handelsnetze, Straßeninfrastrukturen, Feldzüge und Sklaverei erleichtert wurde.

Von Griechenland bis Syrien

Aus der Kaiserzeit, also vom Jahr 27 vor unserer Zeitrechnung bis zum Jahr 300, konnten die Forscher die DNA von immerhin 48 Individuen auswerten. Und die belegten den Trend der Zuwanderung vor allem aus dem Osten. Nur zwei kamen aus der Gegend jenseits der Alpen und zwei aus Nordafrika. Alle anderen hatten unmittelbare Vorfahren in östlichen Teilen des Römischen Reiches von Griechenland bis nach Syrien.

Eines jener 127 Individuen, das zu den DNA-Spendern gehörte.
Foto: Michaela Lucci

Das lag zum einen vermutlich daran, dass die Alpen damals nicht so einfach überquert werden konnten. Zum anderen waren die östlichen Teile des Römischen Reichs sehr viel dichter besiedelt.

Die Teilung des Römischen Reiches und die Verlegung der Hauptstadt nach Konstantinopel besiegelten dann den dramatischen Niedergang Roms in den folgenden Jahrhunderten. Seuchen sowie eine Reihe von Invasionen dezimierten die Bevölkerung und hinterließen abermals genetische Spuren.

Späte "Europäisierung" Roms

Der Aufstieg des Heiligen Römischen Reichs im Mittelalter führte dann zu einem Zustrom von Menschen, die Vorfahren in Mittel- und Nordeuropa hatten, während Zuwanderer aus dem Osten seltener wurden. Der Tiefpunkt Roms war dann rund um das Jahr 1300 erreicht, als die einstige Millionenstadt nur mehr knapp 20.000 Einwohner zählte.

Grafische Veranschaulichung der jeweiligen Zuwanderungsregionen (blaue Pfeile) und der jeweiligen Ausdehnung des zu Rom gehörenden Herrschaftsgebiets (schwarz).
Grafik: Margaret L. Antonio et al.: Ancient Rome: A genetic crossroads of Europe and the Mediterranean, Science 2019.

"Menschen denken womöglich, dass die heutigen Migrationen ein neues Phänomen seien", resümiert Jonathan Pritchard, Letztautor der neuen Studie, in einem Begleittext in "Science". "Aber an der alten DNA zeigt sich, dass sich Bevölkerungen immer schon sehr stark vermischt haben." (tasch, 7.11.2019)