Von der Fassade bröckelt der Putz, Feuchtigkeit und Abgase haben den Mauern sichtlich zugesetzt. In der Landstraße im niederösterreichischen Zwettl stehen seit Jahren Häuser leer. Junge Zwettler können sich gar nicht mehr daran erinnern, dass hinter ihren Fenstern je Licht brannte.

Nun soll wieder Leben einkehren. Drei Gebäude in der Landstraße und der ganze Häuserblock dahinter – insgesamt acht alte Häuser – sollen 50 Wohnungen weichen. Gebaut werden sie von der gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgenossenschaft Waldviertel (WAV) auf insgesamt 2500 Quadratmetern. Neun Millionen Euro will die WAV investieren. Das stößt auf Freude in der Zwettler Politik. Seit Jahren wünsche er sich, dass die Innenstadt wieder belebt und nicht zur Geisterstadt wird, sagt Bürgermeister Franz Mold (ÖVP).

Diese Visualisierung sei ein erster Entwurf und noch kein Einreichplan, betont man bei der WAV.
Visualisierung: Architekt Macho Gmünd

Allerdings: Das Projekt müsse sich für den Bauträger auch rentieren, meint der Bürgermeister. Im vorliegenden Fall sei dem aber die vorgeschriebene Bauhöhe im Weg gestanden. Und so wurde kürzlich im Gemeinderat die Änderung des Bebauungsplanes beschlossen, mit fünf Gegenstimmen der Grünen. Die WAV darf nun im mittleren der drei Bauteile, der nicht direkt an der Straße liegt, fünf Stockwerke über dem Garagengeschoß bauen.

Einspruch erhoben

Seit Monaten regt sich dagegen Widerstand. 200 Menschen haben gegen die Erhöhung der zulässigen Bauhöhe unterschrieben. Einer, der Einspruch erhoben hat, ist der Anrainer und Architekt Robert Wolf. Er kritisiert etwa, dass es kein Ortsbildgutachten zum geplanten Projekt gibt.

Zudem sei die Änderung des Bebauungsplans projektbezogen. "Normalerweise gibt es ein Stadtentwicklungskonzept, eine Flächenwidmung und einen Bebauungsplan, in dem Höhen festgelegt sind. Danach kann geplant und gebaut werden. In diesem Fall wurde auf dieses konkrete Projekt abgestimmt, der Bebauungsplan geändert", so Wolf. Der Bauträger habe sich die Änderung von der Gemeinde "wünschen können", weil er viel Geld investiert.

Man öffne hoher Verbauung damit Tür und Tor, befürchtet auch Gemeinderätin Silvia Moser (Grüne). In diesem Bereich der Altstadt gebe es sonst keinen Bau in dieser Höhe. "Das steht in keiner Relation", so Moser, die, wie auch Wolf, mehrmals betont, dass sie nicht prinzipiell gegen das Projekt ist, solange es der Stadtstruktur entspricht.

Außenhülle erhalten

Weitere Kritik kommt von der Initiative Denkmalschutz. "In einer historischen Stadt sollte die Gemeinde selbst Verantwortung übernehmen und alte Häuser schützen", sagt Sprecher Markus Landerer. Er wünscht sich, dass die Außenhülle der Gebäude größtmöglich erhalten bleibt, im hinteren Teil könne aufgestockt werden. "Der geplante Bau ist viel zu groß und passt nicht ins Altstadtbild."

Landerer kritisiert auch, dass es in Zwettl zwar eine Schutzzone gebe, diese aber nicht vor Abbruch schütze, sondern nur vorschreibe, dass Neubauten ins Stadtbild passen müssen.

Seit mehr als zehn Jahren stehen in der Zwettler Innenstadt Häuser leer, nun sollen sie 50 neuen Wohnungen weichen.
Foto: Redl

Die Projektgegner bemängeln außerdem, dass seit mehr als zehn Jahren "auf dieses Großprojekt spekuliert wird", wie Landerer sagt. Die WAV habe seit damals Häuser am Standort "angehäuft" und leer stehen lassen. Dadurch habe man ein öffentliches Interesse für die Änderung des Bebauungsplanes quasi erzwungen. Die Gemeinde habe damit die WAV nun auch noch "belohnt", so Denkmalschützer Landerer. Bürgermeister Mold entgegnet, dass in den vergangenen Jahren jeder die Häuser kaufen und dort etwas hätte entwickeln können.

Abwanderung aus Altstadt

Die Kritiker befürchten zudem ein erhöhtes Verkehrsaufkommen, da auch 53 Tiefgaragenplätze geplant sind. Ein Verkehrskonzept zum Projekt gibt es nicht. Zwar ist der Weg in die Altstadt kurz, in den vergangenen Jahren sind jedoch von dort immer mehr Geschäfte abgewandert – vor allem in die nördlich der Stadt liegende Gewerbezone, in der stetig Grünflächen umgewidmet werden "und eine Halle nach der anderen aufgestellt wird", wie Wolf es beschreibt. Der Bürgermeister verweist in diesem Punkt auf die 2017 fertiggestellte und ebenfalls stark kritisierte Zwettler Umfahrung. Sie habe den Verkehr in der Innenstadt um 25 bis 30 Prozent reduziert, so Mold.

Mit der Planung beauftragt ist das Architekturbüro Macho aus Gmünd.
Visualisierung: Architekt Macho Gmünd

Letztlich stößt den Anrainern auch sauer auf, dass sie, trotz anderer Versprechungen, erst Anfang September über das Projekt informiert wurden und die Einsprüche gegen die Änderung des Bebauungsplanes nicht entsprechend im Gemeinderat behandelt wurden. Die öffentliche Auflage solcher Pläne sei scheinbar nurmehr eine Formsache, kritisiert auch Landerer. Moser dazu: "Bei unseren Mehrheitsverhältnissen ist viel ausgemacht, bevor es überhaupt in den Gemeinderat kommt, auch mit dem Land." Im Zwettler Gemeinderat sitzen 25 Mandatare der ÖVP, zwei der FPÖ, vier der SPÖ und fünf der Grünen.

Einreichplanung beginnt

Im nächsten Schritt werde nun mit der Einreichplanung begonnen, sagt WAV-Vorstandsdirektor Manfred Damberger, und der Plan dann der Baubehörde sowie dem Gestaltungsbeirat vorgelegt. Diesen gibt es in Zwettl seit fünf Jahren. Moser kritisiert seine Zusammensetzung, er besteht neben einem unabhängigen Architekten und einem SPÖ-Gemeinderat aus dem Bürgermeister und seinem Vize (beide ÖVP).

Übrigens habe sich auch der Gestaltungsbeirat des Landes schon mit dem Projekt beschäftigt und sogar sieben statt fünf oberirdische Geschoße zugelassen, so Damberger. Der Beirat des Landes war zu einer telefonischen Stellungnahme nicht bereit. (Bernadette Redl, 8.11.2019)