"Viele überschätzen ihr Können." Jörg Spörri weiß, was beim Skifahren falsch laufen kann.

Foto: Spoerri

Die körperliche Fitness ist – neben der richtigen Ausrüstung – der wichtigste Faktor bei der Prävention von Verletzungen, sagt der Experte.

Foto: istockphoto

Wer im Winter die Pisten hinunterwedeln will, sollte sich darauf vorbereiten. Und zwar am besten das ganze Jahr über. Welches Fitnessprogramm jetzt noch sinnvoll ist, erklärt der Schweizer Experte Jörg Spörri.

STANDARD: Viele denken bei Skigymnastik an Übungen, wie sie Ilse Buck einst vorturnte. Das hat ein etwas angestaubtes Image. Warum ist die Vorbereitung auf die Skisaison trotzdem sinnvoll?

Spörri: Die körperliche Fitness ist – neben der richtigen Ausrüstung – der wichtigste Faktor bei der Prävention von Verletzungen. Wenn die Grundlagenfitness fehlt, kommt es am späteren Nachmittag, wenn man müde ist, häufiger zu Verletzungen. Jeder verbindet mit Skigymnastik Kraft- und Ausdauertraining. Was aber oft untergeht, sind ergänzende Trainingsmaßnahmen, die auf die häufigsten Verletzungsmechanismen abzielen. Ich empfehle daher einen gezielten Aufbau der Hamstring- und der Rumpfmuskulatur.

STANDARD: Was bedeutet das?

Spörri: Man muss die Verletzungsmechanismen kennen, um die richtigen Präventionsmaßnahmen zu setzen. Bei Stürzen spielt die Rumpfmuskulatur eine große Rolle. Viele Stürze entstehen, indem man zuerst aus der Balance gerät und die Muskulatur des Oberkörpers dann nicht ausreichend stabilisierend wirkt. Das muss nicht einmal unbedingt mit einem Sturz enden, aber das Kreuzband kann trotzdem reißen. Nämlich dann, wenn die Muskulatur der Oberschenkelrückseite, also der Hamstrings, nicht stark genug ist, um das Kniegelenk zu stabilisieren. Diese Muskulatur muss exzentrisch und mit relativ hohen Kräften arbeiten – und vor allem sehr schnell reagieren.

STANDARD: Wie soll man sich im Training also darauf vorbereiten?

Spörri: Das geht beim regulären Training im Fitnessstudio oft unter. Die beste Übung für die Hamstrings, die auch im Profisport verwendet wird, ist der Nordic Hamstring Curl, bei dem mit dem eigenen Körpergewicht und im Maximalbereich gearbeitet wird. Diese Übung ist in der Verletzungsprävention sehr sinnvoll, egal für welches Leistungsnvieau.

Der Nordic Hamstring Curl ist eine gute Vorbereitung auf das Skifahren.

STANDARD: Das ist aber schon eine recht fortgeschrittene Übung.

Spörri: Bei den Nordic Hamstring Curls arbeitet man in einem maximalexzentrischen Bereich. Das löst bei vielen Angst aus. Aber man kann sich an die Übung herantasten, etwa durch Bridging-Übungen auf dem Rücken. Ich empfehle überhaupt, sich die richtige Durchführung einmal zeigen zu lassen. Die Schwierigkeit beim ergänzenden Training ist, dass die Übungen qualitativ gut ausgeführt werden. Es geht weniger um die Anzahl oder die Dauer der Wiederholungen.

STANDARD: Ganz konkret: Wie sollte denn mein Trainingsprogramm ausschauen, wenn ich für den Skiurlaub im Februar fit sein will?

Spörri: Wer bisher gar nicht aktiv war, sollte mit 20 bis 30 Minuten moderater körperlicher Belastung pro Tag starten. Wer schon ein bisschen sportlich ist, sollte ein- bis zweimal pro Woche zusätzliches Krafttraining einplanen und die erwähnten ergänzenden Trainingsmaßnahmen setzen. Das ist ein langfristiger Prozess. Es bringt relativ wenig, eine Woche vor dem Skiurlaub plötzlich mit dem Training zu starten.

STANDARD: Was sind denn die häufigsten Verletzungen beim Skifahren?

Spörri: Die Schwachstelle ist beim Skifahren das Knie, die häufigste Verletzung ist eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes.

STANDARD: Wird Skifahren immer verletzungsintensiver?

Spörri: Im Freizeitbereich hat die Anzahl der Verletzungen durch eine Weiterentwicklung im Materialbereich in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Ich empfehle, zu Beginn der Saison die Bindungseinstellungen überprüfen zu lassen. Wichtig sind außerdem die richtige Skilänge, passende Skischuhe, ein Helm und Protektoren. Beim Rennsport werden hingegen die Limits ausgereizt. Da ist man auf der Suche nach der letzten Hundertstelsekunde. Da finden Entwicklungen statt, die sich nicht immer positiv aufs Verletzungsrisiko auswirken.

STANDARD: Am Ende werden auch in dieser Wintersaison wieder viele körperlich unvorbereitet in den Skiurlaub aufbrechen. Wieso?

Spörri: Viele überschätzen ihr Können. Es ist ein Unterschied, ob ich jede Woche einmal auf den Skiern stehe oder nur einmal im Jahr. Man braucht eine gewisse Zeit, um sich an das Skifahren zu gewöhnen. Und wer eine Tageskarte hat, möchte diese auch bis zur letzten Minuten auskosten. Ich empfehle das Einlegen von Pausen. In Kombination mit guter physischer Vorbereitung wird der Tag so zum Erfolg. (Franziska Zoidl, 10.11.2019)